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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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verlieren, das Problem jedoch bestand darin, daß man sich an das Siegen gewöhnte, an das Verlieren nie.
    Was auch hieß, daß beim Verlieren mehr in einem vorging als beim Siegen, daß man beim Verlieren irgendwie heftiger lebte, was wiederum zur Folge hatte, daß manche Menschen lieber verloren als siegten, weil sie das Gewinnen langweilte.
    Onno hätte Koos gerne einmal gestanden, daß diese destruktive Neigung ein erheblich größerer Feind für ihn sei als Dorus, traute sich aber nie.
    Inzwischen war auch Dorus an Deck erschienen, wo jeder ihm applaudierte, als er kurz einen Handstand machte, um sich zu entspannen. Onno sah, daß Koos, der fünfzehn oder zwanzig Jahre älter war als Dorus und mit dem Gehen schon Mühe hatte, auch davon wieder überaus irritiert war. Wie Onno stammte er aus einer kalvinistischen Familie.
    In der warmen Kajüte war sofort eine eisige Stimmung.
    Außer Koos, Dorus und Onno saß nur noch Piet, der Vorsitzende der Neu-Liberalen, am Salontisch.
    »Ich höre«, sagte Dorus; auch er in Hemdsärmeln, die Haare säuberlich gescheitelt. Seine Erscheinung hatte etwas Zerbrechliches und Jungenhaftes, doch seine halbgeschlossenen Augen, die er auf Onno geheftet hielt, und seine fleischigen, leicht zusammengepreßten Lippen in dem reglosen Gesicht mit der spitzen Nase sprachen eine andere, unerbittlichere Sprache.
    Onno wunderte sich über seine eigene Ruhe. Ohne das Gefühl zu haben, daß es noch etwas bedeutete, erzählte er, was vor vierzehn Jahren geschehen war. Seine Begegnung mit Bork nach der politisch-musikalischen Kundgebung in Amsterdam, wo dieser ihm prophezeit hatte, er, Onno, würde nach der Revolution Strandräuber auf Ameland werden, und daß es ebendiese unheilverkündende Bemerkung gewesen sei, die für ihn den Ausschlag gegeben habe, in die Politik zu gehen. Dann die kubanische Einladung an seine Frau, das Mißverständnis am Flughafen und die brisante Konferenz, in die er geraten sei. Über die Rolle von Max, der ihn dazu überredet hatte, sagte er nichts. Schließlich seine Begegnung mit Bork im Park von Havanna, der illegale Geldumtausch und die Genugtuung, ihn dabei erwischt zu haben.
    »Und jetzt ist er wohl wieder dran«, schloß er. »Aber es war eine interessante Konferenz, bei der ich viel gelernt habe. Nur: Im nachhinein betrachtet, wäre es vielleicht geschickter gewesen, mich als Pressevertreter akkreditieren zu lassen.«
    Dorus legte einige Male die Spitzen seiner gespreizten Finger aneinander und blickte in die Runde.
    »Wir glauben dir.«
    »Ich auf jeden Fall«, sagte Piet mit diesem verwundert-unschuldigen Blick in den blauen Augen, der ihm so viele Wählerstimmen eintrug.
    »Außerdem«, fuhr Dorus fort, »weiß ich deine Ehrlichkeit zu schätzen. Es liegen auch Fotokopien der Kongreßadministration bei, auf den Namen eines gewissen Onno Quits; du hättest ja sagen können, daß das jemand anders gewesen sei, oder daß sie gefälscht wurden. Solange es kein Foto gibt, auf dem du in Gesellschaft des unerschrockenen Doktor Castro Ruz zu sehen bist, wärest du damit weit gekommen.«
    »Ich lüge nicht, Dorus, ich habe nichts zu verbergen.«
    »Nur: So, wie die Dinge jetzt stehen, ist wenig damit gewonnen, wenn wir dir glauben. Aber werden die Generäle dir glauben – oder glauben wollen? Es ist wie mit dem abtrünnigen Bischof, der in einem Bordell gewesen ist und dann erklärt: Um das Übel zu bekämpfen, muß man das Übel kennen. Wo wäre deine Autorität? Denn ich versichere dir, die Generäle werden innerhalb von vierundzwanzig Stunden im Besitz dieser Dokumente sein. Dieses Schreiben«, sagte Dorus und legte seine schmale, gepflegte Hand darauf, »ist nämlich nicht an mich gerichtet, sondern an den amerikanischen Botschafter, der die Höflichkeit hatte, es mir gestern abend per Kurier zukommen zu lassen. Und das heißt, der CIA ist inzwischen ebenfalls darüber im Bilde, unsere eigenen Dienste wissen es in Kürze und auch in Brüssel werden sie es erfahren, im NATO-Hauptquartier, unter der väterlichen Führung unseres nie genug gelobten Landsmannes. Dieser Herr Bork hat seine Sache gründlich gemacht. Und du kannst Gift darauf nehmen, daß unsere amerikanischen Freunde nicht das geringste Risiko eingehen werden, und sei es noch so winzig, und mit aller Macht verhindern, daß innerhalb des Bündnisses ein fidelistischer Racker wie du das Sagen über die Streitkräfte in der norddeutschen Tiefebene bekommt und obendrein auch noch über vitale

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