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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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Eltern aufeinander!«
    Onno blieb stehen, reckte sich zu seiner vollen Länge und breitete im Triumph die Arme aus, während ein breites Grinsen über sein Gesicht zog.
    »Tod, wo ist dein Schrecken?« rief er. »Jetzt kann ich das Leben wieder bewältigen!«

6
Noch eine Begegnung
    Zwei Monate später – die Freundschaft zeigte noch immer kein Zeichen der Abkühlung – traf sich Onno mit einem Kollegen aus Jerusalem im Rijksmuseum von Natuurlijke Historie in Leiden. Mit der Entzifferung war er noch keinen Schritt weitergekommen, und der Israeli war genauso neugierig auf seine Fortschritte wie umgekehrt. Als Onno am späteren Nachmittag aus dem kolossalen Gebäude kam, wartete Max draußen in der Sonne mit geschlossenen Augen und dem Kopf im Nacken in einer merkwürdigen kleinen Grünanlage neben dem naturwissenschaftlichen Museum auf ihn. Sie hatten vereinbart, daß er ihm die Sternwarte zeigen würde.
    Onno ließ sich herablassend über die Schwachköpfe aus, die in der Sonne lagen – sein eigenes weißes reformiertes Fleisch hatte noch nie die Sonne gesehen –, aber Max sagte, es gehöre zu seinem Beruf: die Sonne sei schließlich ein Stern. Sie gingen in die Stadt, um vorher irgendwo einen Kaffee zu trinken.
    Erleichtert erzählte Onno, daß Landau, sein wichtigster Konkurrent, offenbar auch keine Fortschritte gemacht habe, diese Bedrohung sei also bis auf weiteres ausgeschaltet. Die kleine Stadt mit ihren niedrigen Häusern wirkte anders auf sie als Amsterdam: sie empfanden fast so etwas wie Zärtlichkeit, wie jemand aus London oder New York, der zum ersten Mal nach Amsterdam kommt.
    »Hier gehen wir jetzt«, sagte Max, »und während ich auf dich wartete, fielen mir zwei andere Männer ein, die auch hier gegangen sind.«
    »Alle sind hier gegangen. Auch Einstein.«
    »Mit Lorentz, ja, und mit De Sitter; aber die meine ich nicht.«
    Er meinte Freud und Mahler. Soweit er sich aus Biographien erinnern könne, sei das im Sommer 1908 gewesen. Freud wohnte in einer Pension in Noordwijk, von wo aus er nach Italien reisen wollte, als er ein Telegramm aus Wien erhielt: Mahler hatte Probleme, er litt an Impotenz und konnte nicht mehr mit seiner Frau Alma schlafen (die später auch noch Franz Werfel, Walter Gropius und Oskar Kokoschka verrückt machen sollte). Ihm mußte unverzüglich geholfen werden.
    Mahler nahm den Zug nach Leiden, wo er Freud in einem Hotel traf. Während eines vierstündigen Spaziergangs durch die Stadt wurde Mahler einer Art Erste-Hilfe-Analyse unterzogen, die auch tatsächlich ein Ergebnis gezeitigt haben soll.
    Ein kleines Mädchen bindet ein Seil an einen Laternenpfahl, sie schwingt das Seil, ein zweites Mädchen bewegt seinen Oberkörper einige Male im selben Rhythmus vor und zurück, springt in das imaginäre Ei hinein, und schon springen die beiden – mit genau dieser Geschmeidigkeit ging Onno auf ihrem Spaziergang auf die Anekdote ein.
    »So, so, Herr Obermusikdirektor, Sie leiden also an einer Überpotenz. In meiner Psychoanalyse habe ich hierfür den Terminus ›astronomische Satyriasis‹ geprägt. Es ist ein Krankheitsbild, das sogar bei Spezialisten, die nun wirklich mit der Schattenseite der menschlichen Natur vertraut sind, den größtmöglichen Ekel hervorruft.«
    »Aber wenn es mir nun gefällt«, sagte Max klagend. »Heilen Sie mich, Herr Professor. Ich will nicht mehr, daß es mir gefällt. Ich will monogam sein, wie Sie, oder impotent, was von beidem sind Sie eigentlich? Ich werde Ihr Honorar verdoppeln.«
    »Daß Sie gleich auf das Geld zu sprechen kommen, deutet auf eine analerotische Fixierung hin, die vor meinem geistigen Auge Szenen hervorruft, vor denen sogar Dante zurückweichen würde. Habe ich richtig gehört, daß es Ihnen gefällt ?
    Das kann doch nicht wahr sein!«
    »Doch!«
    »Vereinzelt steht sogar ein erfahrener Alpinist vor einem Abgrund, von dem er sagt: Nein, das geht zu weit. Wenn ich das meinem Freund Ferenczi erzähle, wird er sagen: Du kannst mir viel erzählen, Sigi, aber das gibt es nicht.«
    »Aber es gibt mich!«
    »Daß es Sie gibt, ist in der Tat das ultimative Mysterium tremendum ac fascinans. Ich habe in meiner Praxis viel erlebt, den kleinen Hans, den Wolfsmenschen, alles Vollidioten, aber eine Erscheinung wie die Ihre nimmt mir den letzten Rest meines Glaubens an den Menschen. Aus Ihrem verpönten Lebenswandel schließe ich, daß Sie in Ihrer Sexualhysterie eigentlich alle Frauen bespringen möchten, wobei sich Ihre liederliche Pansbrunst in

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