Die Entdeckung des Himmels
Israel dieser Augenblick gekommen ist. Schade ist nur wieder, daß auch diese Geschichte erst etwa hundertfünfzig Jahre nach Christus niedergeschrieben wurde.«
»Ich kann dieses Buch der Makkabäer nirgends finden.«
»Das stimmt, es steht auch nicht drin. Es ist ein apokryphes Buch, aber das sagt nicht so viel; es hätte genausogut kanonisch sein können. Das alles ist von diesen Konzilen ziemlich vage bestimmt worden. Umgekehrt hätte der Paulus-Brief an die Hebräer, weißt du noch, in dem Christus mit dem Tempel verglichen wird, ebensogut apokryph sein können, denn er ist mit Sicherheit nicht von Paulus geschrieben worden, sondern von einem alexandrinischen Jünger Philos.«
»Wer ist denn das schon wieder?« fragte Quinten, ohne mit den Gedanken bei der Sache zu sein. Er versuchte herauszufinden, was all diese Daten für ihn bedeuteten.
»Ein jüdischer Gelehrter, Philo Judaeus, Zeitgenosse Christi, der die jüdische Religion mit der griechischen Philosophie kombinieren wollte. Interessanter Mann. Aber laß uns nicht abschweifen, sonst versinken wir immer tiefer im historischen Treibsand. Gut. Wenn das nun alles stimmt, und wenn nach deiner Meinung die Lade in diesem Moment im Sancta Sanctorum versteckt ist, wie soll sie dann in die Hände der Römer gelangt sein? Ist es nicht ziemlich unwahrscheinlich, daß sie die Höhle im Nebo entdeckt haben?«
»Ja«, sagte Quinten. »Das stimmt. Aber warum heißt es dann ›Sancta Sanctorum‹? Warum sonst sollte es der heiligste Ort auf der Welt sein? Du sagst doch selbst, daß das sehr verwunderlich ist!«
»Einen Moment, wir sind noch nicht am Ende! Das wahrscheinlichste ist also, daß die Lade deshalb nicht auf dem Titusbogen abgebildet ist, weil die Römer sie schlichtweg nicht hatten. Schon vor dem Feldzug war Pompejus übrigens in das Allerheiligste eingedrungen, und auch er hat dort offenbar nichts gefunden. Das alles wird von Flavius Josephus bestätigt, einem jüdischen Schriftsteller in römischen Diensten, also eigentlich einem Kollaborateur. Er hat über den gesamten jüdischen Krieg aus unmittelbarer Nähe berichtet, einschließlich des Umzugs über das Forum, über den Tisch der Schaubrote, den siebenarmigen Leuchter und all diese Dinge; er erwähnt sie genau in der Reihenfolge, wie sie auf dem Triumphbogen abgebildet sind. In jungen Jahren hat er übrigens Dienst im Tempel von Herodes getan, und auch ihm zufolge war das Debir vollständig leer.«
»Das Debir?«
»So heißt das Allerheiligste auf hebräisch. Natürlich hat er selbst nie hineingeschaut, denn das durfte nur der Hohepriester betreten. Aber das ist alles nur die eine Seite der Medaille.
Denn!« sagte Onno, hob den Zeigefinger und legte die andere Hand auf einen Bogen mit Notizen. »Denn tröste dich, es gibt immer auch ein Aber im Leben, Quinten. Die andere Seite der Sache – und das wird dir falsche Hoffnungen machen – ist ein Text aus dem zwölften Jahrhundert, von einem gewissen Johannes Diaconus. Darin erscheint zum ersten Mal der Terminus ›Sancta Sanctorum‹. Aber er hat noch keinen Bezug zur päpstlichen Kapelle, sondern zu einem Reliquienschatz, der sich unter dem Hochaltar der alten Lateranbasilika befinden soll.«
»Dem Altar mit den Köpfen von Petrus und Paulus an der Decke?«
»Ja, aber unten, in der Tiefe. Und was soll sich dort nach Meinung des Diakons befinden? Nicht nur Moses’ Schilfk ästchen, die Vorhaut Christi und weiß der Himmel was für Kuriositäten, sondern auch – paß auf: area foederis Domini. Was sagst du dazu?« Onno lehnte sich mit der Zufriedenheit eines großzügigen Spenders zurück. »Gottes Bundeslade.«
Perplex sah Quinten ihn an.
»Warum falsche Hoffnungen? Dann haben wir es doch! – Seit wann wird die päpstliche Kapelle ›Sancta Sanctorum‹ genannt?«
»Auch das weiß ich. Seit dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts.«
»Na bitte! Das bedeutet also, daß die Lade irgendwo zwischen elfh undert und vierzehnhundert von der Basilika in die Kapelle gebracht worden ist. Der Name ging einfach mit.«
»An sich gar nicht so dumm, was du da sagst. Im dreizehnten Jahrhundert wurde die Kapelle komplett restauriert, und die Reliquien wurden für diesen Zeitraum herausgeholt; danach könnte auch die Lade hinzugefügt worden sein. Nur vergißt du dann wieder die Kleinigkeit, daß die Lade günstigstenfalls irgendwo in einer Höhle in Jordanien liegt. Sie war nie in Rom.« Onno machte mit beiden Händen eine beschwichtigende Geste. »Sieh
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