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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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lauten Schlag, als schlüge jemand mit einem Hammer auf einen Amboß. Onno horchte, ob es jemand gehört hatte, aber Quinten gab ihm den Koffer und stupste ihn in den Rücken.
    »Sofort weg hier, bevor jemand kommt.«
    Sie liefen durch den schmalen Gang zur Kapelle des heiligen Lorenz, wo Quinten die Eingangstür hinter sich schloß und wieder die beiden Schlösser davorhängte, was wiederum zwei laute Schläge verursachte.
    »So«, sagte er und horchte. »Jetzt kann uns nicht mehr allzuviel passieren.«
    Mit der linken Hand zeigte Onno auf den Koffer in seiner rechten.
    »Wenn in diesem Koffer tatsächlich die Zehn Gebote sind, was Gott verhüten möge, dann kann uns mehr passieren, als du in deinen kühnsten Träumen zu vermuten gewagt hast, mein Freund. Das wäre explosiver als eine Atombombe.«
    »Aber nur, wenn du den Mund nicht halten kannst. Niemand wird es je erfahren.«
    Was wußte sein Vater denn schon von seinen kühnsten Träumen? Nur dank seines Traumes von der Burg hatte er die Gesetzestafeln aus der Mitte der Welt geholt – womit er sozusagen den Stachel aus dem SOMNIUM QUINTI gezogen hatte. Der Stachel befand sich jetzt im Koffer.
    Als im Konvent alles ruhig blieb, setzten sie sich wieder auf die Bank gegenüber dem Altar. Sie mußten den nächsten Morgen abwarten, dann war Sonntag, es würde voll werden. Ihr Plan war, eine viertel oder halbe Stunde nach Öffnung des Sancta Sanctorum einfach zu gehen; keinem Pater würde auffallen, daß sie gingen, ohne gekommen zu sein, wenn sie gingen, mußten sie schließlich auch gekommen sein. Aber daß er die ganze Nacht in Unsicherheit über den Inhalt des Koffers verbringen sollte, war für Onno unerträglich.
    »Ich muß die Steine jetzt sehen, Quinten«, flüsterte er, »sonst drehe ich noch durch.«
    »Dann drehst du eben durch. Angenommen, es kommt jemand und sieht, wie wir mit einer Taschenlampe Steine betrachten! Wir hatten doch abgemacht, daß wir als überfromme Pilger hier sind. Wenn jemand kommt, knien wir uns hin und beten. Die Taschenlampe muß übrigens auch noch verschwinden. Aber wo? Warum habe ich nicht daran gedacht?«
    »Gibt es wirklich etwas, an das du nicht gedacht hast?«
    fragte Onno mit leichtem Spott in der Stimme, aber gleich darauf sah er sich im Dunkeln unsicher um. »Ich habe übrigens auch die ganze Zeit das Gefühl, daß ich etwas vergessen habe.«
    »Was denn?«
    »Ich weiß nicht –« Plötzlich spürte Onno, wie er erstarrte.
    »Mein Stock! Quinten! Ich habe meinen Stock in der Kapelle liegenlassen. In der Eile, als wir die Eisenstange –«
    Quinten war schon aufgestanden, hatte die Taschenlampe gepackt und rannte unhörbar zum Gitterfenster am Kopf der Heiligen Treppe. Er leuchtete hinein. Wie in stiller Anbetung lag der Stock seines Vaters auf dem päpstlichen Gebetsstuhl vor dem Altar: die Spitze auf dem Kniehocker, der Griff auf dem Seidenkissen mit den Quasten. Nicht mehr rückgängig zu machen. Die Taschenlampe hatte nun auch ihren Zweck erfüllt, und auf dem Rückweg versteckte er sie hinter einem Beichtstuhl.
    »Ja«, sagte er, als er wieder neben Onno saß. »So ist das nun wohl. Das ändert unseren ganzen Plan.«
    »Quinten –«
    »Laß nur, es ist meine Schuld, ich habe dich gehetzt, und es hat keinen Sinn, noch darüber zu reden. Wir müssen jetzt auf jeden Fall verschwunden sein, ehe es jemand entdeckt.«
    Onno fühlte, wie ein Schweißtropfen von der Achsel herunterrann.
    »Und wie willst du hier herauskommen? Wir sitzen wie die Ratten in der Falle.«
    Quinten überlegte kurz.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit. Wann sind die Gezeiten – wie hießen sie noch?«
    »Die Metten. Meistens gegen vier Uhr.«
    »Dann gehen wir einfach in die andere Kapelle und sagen, wir wären eingeschlafen, ob wir bitte hinausdürften.«
    »Und wenn sie fragen, was in dem Koffer ist?«
    »Weshalb sollten sie? Hier gibt es nichts zu stehlen. Und wenn schon? Zwei schmutzige Steine.«
    »Laß uns beten, daß es tatsächlich nur zwei schmutzige Steine sind«, flüsterte Onno. »Aber damit sind wir noch lange nicht aus dem Schneider. Morgen früh entdeckt ein Pater plötzlich meinen Stock im Sancta Sanctorum – und dann?
    Was geschieht dann? Am Öl an den Scharnieren sieht die Polizei sofort, daß wir auch am Altar gewesen sind. Sie öffnet ihn und findet deinen Rucksack. Ansonsten ist er leer – aber wer weiß schon auf Anhieb, daß er bereits seit achtzig Jahren leer ist? Die Patres vielleicht, aber die haben mit Rücksicht auf den

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