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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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Leben in einigen wenigen einzelnen Bildern vor ihm abgespult wurde, die zusammen einen Lauf ergaben: sein Vater in der Schmiede, Riebaus Laden, die alte Dame nach dem Lesen von Davys Rede, ein kläffender, sabbernder Hund in Neapel, die Promenade in Ramsgate, Kollegen in Paris, ein wütender Davy, die Gemeindemitglieder, der Keller, der Keller, der Keller, der kleine, unscharfe Fleck Licht eben, als er den Elektromagneten angestellt hatte. Erst jetzt lächelte er. Sarah nahm seine Hand.

IV
    Die Löschung des Himmels
    1 Hermann und Jakob Einstein
    Eine verpuffte Revolution und vierundvierzig Jahre später besaß der Amerikaner Thomas Alva Edison bereits sein Patent auf einen Kohlefaden im Vakuum. Leitete man Strom durch den Faden, so wurde er glühend heiß und beleuchtete seine Umgebung heller als jede Kerze oder Öllampe, ohne Brandgefahr und ohne Luft zu verbrauchen.
    Während Edison an der Elektrifizierung New Yorks arbeitete, schickte sich Schwabing an, die erste elektrisch beleuchtete Stadt der Welt zu werden. Die Brüder Hermann und Jakob Einstein hatten dazu eine oberirdisch verkabelte Anlage gebaut. Sie bestand aus drei Dynamomaschinen, die Gleichstrom für hundertzweiundsiebzig Glühlampen und acht Bogenlampen lieferten. Die Glühlampen sollten eine Leuchtkraft von je sechzehn Normalkerzen haben, die Bogenlampen kamen auf je tausend. Manche Schwabinger behaupteten, ihre Stadt sei bald aus dem Weltraum zu sehen. Andere widersprachen und hielten sich, um Geisteskrankheit anzudeuten, den Zeigefinger an die Schläfe.
    Zur Eröffnungsfeier am 26. Februar 1889 reisten Reporter aus England an. Deshalb erklärte Jakob morgens seinem Neffen, der neun war und sich für viele Dinge interessierte, dass rund um den Globus die Tageszeiten geeicht waren.
    »Das musste man wegen der Eisenbahn machen.«
    Albert nickte.
    »Weil sich immer alle verpassten, als noch in jeder kleinen Ortschaft eine andere Zeit galt. Die Eisenbahn war zu schnell.«
    Albert nickte, und Jakob erklärte, dass sich laut Beschluss der 1884 in Washington abgehaltenen Internationalen Meridiankonferenz die Tageszeiten am Sonnenstand über dem Fadenkreuz eines Teleskops orientierten, das auf einem Hügel des Londoner Greenwich Parks stand. Albert fand das lustig.
    »Die Engländer«, erklärte der Onkel, »beherrschen den Seehandel und haben sich einfach geweigert, Paris als Mittelpunkt auch nur in Erwägung zu ziehen.«
    Albert nickte.
    »Die Engländer«, erklärte Jakob daher weiter, »haben Zonen mit auf zirka fünfzehn Längengraden konstanter Zeit über den Globus verteilt.«
    Zentrum und Nullpunkt war London.
    »Wenn es dort fünf Uhr ist«, so der Onkel, »dann schlagen die Kirchenglocken bei uns eine Stunde mehr, nach der Vereinbarung ist es genau sechs Uhr.«
    »Ach so«, sagte Albert, der wusste, dass München eine Reisewoche von London entfernt war.
    »Und fährt man von England mit einem Boot auf den Kontinent, dann springt beim Überqueren des Kanals die Zeit jetzt um eine Stunde nach vorne.«
    Albert freute sich. Für so etwas Widersinniges hatte er eine Schwäche, wie sie in der Familie gern sagten und damit kleinredeten, was an eigene Grenzen stieß.
    Welche Uhrzeit jetzt gerade am Nordpol ist oder am Südpol, wollte er nämlich gleich wissen: »da, wo die Längengrade sich treffen und nach der Vereinbarung alle Zeiten zugleich gelten«.
    Jakob Einstein fand das einfach nicht wichtig. Hermann stimmte ihm zu. Sie erklärten schnell, dass sie sich nur unkompliziert mit den englischen Journalisten für heute Abend hatten verabreden wollen.
    »Und zwar nicht an einem Pol«, so Alberts Vater Hermann.
    »Sondern hier in München«, so Jakob, »um sechs.«
    »Obwohl es am Pol«, sagte Alberts Mutter Pauline mit Blick zum Fenster, »auch nicht viel kälter sein kann.«
    Im Hof des kleinen Hinterhauses der Familie in Sendling wartete am frühen Abend dieses Tages eine gemietete Berline. Für ihren Landauer war es zu kalt.
    Es war ein Dienstag, und Albert trug seinen Sonntagsanzug. Er drehte sich von den anderen weg und hockte sich neben dem Tisch auf den Boden. Den Hintern auf den Fersen baute er an seinem Kartenhaus weiter. Neben sich hatte er noch acht Kartensätze, von denen er sich blind bediente. Sein Rekord stand bei vierzehn Stockwerken, und an die Bestürzung, die sein großer, eckiger Kopf bei der Geburt ausgelöst hatte, erinnerte sich jetzt kaum noch jemand. Auch nicht an die Sprachhemmung, seine Unfähigkeit oder Weigerung zu reden,

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