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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Watts
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gewienerten Stiefels auf die Kappe eines anderen trat. »Überhaupt kein Anlass«, wiederholte er, während ein schmerzliches Aufjaulen zu hören war.
    Und damit machten die sechs Paare glänzender Stiefel kehrt (von denen ein Fuß etwas hinkte) und marschierten wieder aus der Gasse hinaus.
    Als der Klang von Absätzen auf dem Pflaster verhallt war, sah Watson auf die beiden Mäuse zu seinen Füßen hinunter. Mit fragend hochgezogenen Augenbrauen blickte er sie an. Aber als Alistair zu einer Erklärung ansetzte – auch wenn er nicht so recht wusste, was oder wie oder warum er überhaupt etwas erklären musste –, hob der scheckige Zeitungsverkäufer eine Hand.
    »Ist wahrscheinlich besser, wenn ihr mir nichts sagt«, meinte er. »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.« Er schüttelte den Kopf und pfiff durch die Zähne. »Ich finde ja, ihr zwei seht noch zu jung aus, um allein in der Stadt rumzulaufen, aber ich nehme mal an, ihr wisst, was ihr tut.«
    Nein, dachte Alistair. Wir haben absolut keine Ahnung. Schön wär’s, wenn wir das wüssten.
    »Und ich glaub den Unsinn einfach nicht, dass jede rote Maus unser Feind ist.« Der Zeitungsverkäufer strich sich nachdenklich über die Barthaare, dann murmelte er. »Kannnicht mal sagen, dass ich es euch übel nehmen könnte, nach allem, was eure Leute haben erdulden müssen.« Gerade, als Alistair fragen wollte, was er meinte, räusperte sich der Scheckige und sagte munter: »Überhaupt, ihr zwei seid gekommen, um dem alten Dr. Nelson einen Gefallen zu tun, und dafür habe ich euch einen getan.« Er rieb sich nochmals über die Barthaare und setzte hinzu: »Was ihr anderen Gutes tut, kommt irgendwann zu euch zurück, wisst ihr?«
    Als Watson in die Richtung blickte, in die die Königlichen Wachen abmarschiert waren, spürte Alistair, wie ihm Tibby Rose das Stück Papier, auf das sie geschrieben hatte, in die Hand drückte.
    Er sah nach unten und konnte die Wörter mit Mühe in dem Dämmerlicht entziffern: Lieber Großvater Nelson, ich bin mit Alistair gegangen, um ihm zu helfen, seinen Weg nach Hause zu finden. Mach Dir bitte keine Sorgen um mich. Ich verstehe jetzt, warum Ihr mich versteckt habt, wenn ich auch den Grund dafür nicht kenne. Sage Großtante Harriet, es täte mir leid, und ich hoffe, dass sie jetzt wieder rausgehen kann. Danke Euch beiden, dass Ihr Euch so gut um mich gekümmert habt. Eure Tibby Rose.
    Alistair sah Tibby Rose an. Sie nickte. Ihr Ausdruck war traurig und trotzig zugleich. Und als sich dann wieder Watson ihnen zuwandte, bedeutete sie Alistair schnell, das Papier zu falten. Was Alistair auch tat. Als der Zeitungsverkäufer nun fragte: »Und, was hat der Doktor denn nun fallen lassen?«, hielt Alistair das gefaltete Stück Papier hoch und erwiderte: »Das hier ist ihm aus der Tasche gefallen.Vielleicht können Sie es ihm geben, wenn er von seinem Treffen mit Herrn Granville kommt.«
    Watson nahm den Zettel und sagte: »Aber selbstverständlich.« Er hob die Ladentischklappe an. »Und ihr zwei verzieht euch mal lieber.«
    Als Alistair und Tibby Rose den Schutz des Kiosks verließen, hörten sie noch, wie er murmelte: »Zwei rotbraune Mäuse ... gleich zwei auf einmal! Nicht zu fassen.«

5 DER WEG NACH SCHAMBEL

    A lex und Alice rannten die Treppe hinunter. Sie wollten so schnell wie möglich los. Doch
     als sie in den ersten Stock kamen, wurde ihnen der Weg versperrt. Es war Frau Zetland, noch im Morgenrock und mit sehr zerzaustem grauem Fell. Die beiden Mäuse stöhnten insgeheimheim auf. Sie mochten Frau Zetland – sie kochte gern und hatte fast immer einen frisch gebackenen Keks in der Nähe – aber sie redete so viel ... und redete ... und redete.
    »Guten Morgen, ihr zwei beiden«, sagte sie. »Ihr seid aber furchtbar früh auf, wenn man bedenkt, dass ihr Sommerferien habt. Aber die ganze Familie scheint das ja so zu machen. Beezer ist schon zur Arbeit los, dann galoppiert euer Onkel die Stufen herunter, als ob sein Fell Feuer gefangen hätte. Obwohl, was gibt es Besseres, als im Sommer früh aufzustehen? Morgenstund’ hat Käs’ im Mund, wie man so sagt. Dabei bin ich selbst gar nicht so eine Frühaufsteherin – doch zu einem Stückchen Käse sage ich nie Nein! Aber wo mögt ihr denn schon hinwollen ...und wo ist denn euer reizender Bruder?« Sie sah neugierig die Treppe hinauf.
    »Hallo, Frau Zetland«, sagte Alice. »Wir gehen ...« Sie verstummte, denn ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie ihrer Nachbarin ja nicht die

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