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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Watts
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»Denkt nur, sie war mal die Rektorin an meiner Schule, als ich ein kleiner Steppke war – vor vielen, vielen Jahren. Sie war ’ne zähe alte Maus; ich hätte schwören können, dass die keinen Tag im Leben krank werden würde. Aber ...« Er hob die Schultern, als wolle er andeuten, welch seltsame Wege die Welt oft nimmt. Alistair, der in einem Land ins Bett gegangen und in einem anderen aufgewacht war, wusste genau, was er ausdrücken wollte.
    »Was – was für eine Krankheit denn?«, fragte Tibby Rose zaghaft. Wieder umklammerte sie Alistairs Arm.
    »Ach, schrecklich ... ganz schrecklich«, sagte der Scheckige. »Aufgebläht wie ein Ballon und über und über mit dunkelroten Flecken bedeckt. Und die Schmerzen ...« Er verstummte, dann sagte er nochmals: »Schrecklich.«
    Tibby Rose fing an zu lachen, aber ein Stoß in die Rippen, und sie unterdrückte das Lachen zu einem Würgelaut, der auch ein Schluchzer hätte sein können.
    »Bitte entschuldigen Sie meine Schwester«, sagte Alistair zu dem Mäuserich hinter dem Ladentisch. »Sie ist so wahnsinnig empfindlich. Kann nicht mit anhören, dass ein anderer Schmerzen hat.«
    Der Scheckige nickte verständnisvoll. »Das spricht nur für sie«, sagte er. »Man glaubt, dass sich Miss Harriet mit einer fremdartigen Krankheit bei ihrer Nichte angesteckt hat. Ihr wisst doch, die Nichte, die davongelaufen und dann wieder krank zurückgekommen ist? Zumindest hatMiss Harriet keinen Fuß mehr aus dem Haus gesetzt, seit die Nichte nach Hause gekommen ist. Nicht mal zur Beerdigung des armen Mädchens ist sie gekommen.« Er seufzte. »Traurige Geschichte – zwei brave Mäuse wie Dr.Nelson und Miss Harriet, die alt werden und ganz allein in dem großen Haus sind, und sie dazu noch so krank. Jeder in Tempelton ist darüber sehr betrübt, das kann ich euch sagen.«
    Tibby glotzte den Zeitungsverkäufer völlig fassungslos an, worüber Alistair nicht überrascht war. War es denn möglich, dass keiner in der Stadt wusste, dass Tibby Rose existierte?
    Plötzlich erfüllte rhythmisches Stampfen die Luft und der Scheckige stand stramm. »Die Königlichen Wachen«, murmelte er. Sein Blick glitt von links nach rechts und dann beunruhigt zurück zu Alistair und Tibby Rose. »Ihr zwei solltet lieber ... die Königlichen Wachen, ihr wisst ja ... rotbraune Mäuse ...« Während die marschierenden Schritte lauter wurden, sah er sich verzweifelt um. Dann klappte er schnell einen mit Scharnieren befestigten Teil des Ladentischs hoch, sodass eine Tür im Kiosk zu sehen war.
    »Schnell«, sagte er, »hier rein.«
    Ohne lange nachzudenken, schob Alistair Tibby Rose in die dunkle Ecke.
    Der Scheckige ließ die Klappe wieder zufallen, und schon kamen die Schritte in die Gasse und blieben wie auf Kommando vor dem Kiosk stehen.
    »Alles in Ordnung, Watson?«, bellte eine barsche Stimme.
    Durch einen Schlitz in den Latten des Kiosks konnte Alistair, der zu Füßen der scheckigen Maus kauerte, undeutlich die unteren Hälften von sechs weißen Mäusen in roten Röcken und hohen, glänzenden schwarzen Stiefeln erkennen.
    »Bestens, mein Herr, alles bestens«, erwiderte der Zeitungsverkäufer aufgekratzt, als habe er nicht zwei rotbraune Mäuse bei sich unter dem Ladentisch versteckt.
    Warum mussten sie sich eigentlich verstecken? Noch so ein Rätsel. Doch Alistair hatte den erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht des Zeitungsverkäufers gesehen, als er sie in seine Bude geholt hatte. Es bestand kein Zweifel, dass er glaubte, Alistair und Tibby Rose seien in Gefahr.
    Alistair versuchte, Blickkontakt zu Tibby Rose zu bekommen, aber sie schrieb gerade etwas auf ein Stück Papier, mit einem Bleistiftstummel, den sie auf dem Boden gefunden hatte.
    »Und was bringt die Königlichen Wachen an diesem Morgen an meinen bescheidenen Kiosk?«, fragte der Gescheckte neugierig.
    Alistair verdrehte ungeduldig die Augen. Watson, der Zeitungsverkäufer, war ja offensichtlich eine sehr freundliche Maus, aber musste er wirklich mit jedem, der an seinem Stand vorbeikam, ein Gespräch anfangen? Doch dann hörte Alistair etwas, was ihn veranlasste, das Ohr dicht an den Spalt zwischen den Latten zu pressen und aufmerksam zu lauschen.
    »Berichte von Unruhen an den Grenzen zu ...«
    Während Alistair und Tibby Rose sich zwischen den Beinen von Watson erschrockene Blicke zuwarfen, fiel ein anderer Wachsoldat dem ersten schnell ins Wort.
    »Kein bestimmter Anlass«, sagte er scharf, und Alistair sah, wie der Absatz eines

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