Die Entfuehrung
sieh nur!«, sagte sie. »Eine Blockhütte. Was wir da wohl an leckeren Bergköstlichkeiten finden?«
»Sieht aus, als ob sie einem Holzfäller gehört«, erwiderte Horatius mit seiner klagenden Stimme. »Siehst du die Äxte und Sägen?«
»Auch Holzfäller müssen essen, Horatius. Komm, wir schauen mal rein.«
Alice spähte über den Tonnenrand und sah, wie Sophia direkt neben ihnen leichtfüßig auf den Holzstoß sprang. Schnell duckte sie sich.
»Fondue!«, rief die silbrige Maus. »Los, Horatius, es ist an der Zeit, Freundschaft zu schließen.«
Sie sprang von dem Holzstoß, und Alice sah wieder aus der Tonne hervor, gerade rechtzeitig, um mitzubekommen, wie die silbergraue Maus und ihr pechschwarzer Gefährte die Stufen zu der Hütte hinaufstiegen.
»Entschuldigen Sie, dass wir stören«, sagte Sophia soeben. »Wir sind müde Wandersleute, die unterwegs sind auf der Suche ...«
Der übrige Satz ging unter, da die beiden müden Wanderer eingetreten waren.
»Was geht jetzt vor sich?«, fragte Alex aus der Tiefe der Tonne.
»Sie sind reingegangen«, sagte Alice. »Wir sollten sie beobachten. Vielleicht erfahren wir etwas.«
Sie stemmten sich aus dem Fass und kletterten wieder auf den Holzstoß. Während sie die Nasen an die Scheibe drückten, sahen sie, dass der Holzfäller in der gemütlichen Hütte zwei Hocker dicht ans Feuer gezogen hatte und zwei zusätzliche Gabeln holte. Mit zuvorkommender Geste überließ er den Sessel Sophia, die sich anmutig darin niederließ. Mit großem Geschick fuhr die silbergraue Maus mit der Gabel durch den Fonduetopf und schafftees, eine überraschend große Menge an Brot und geschmolzenem Käse zu vertilgen, während sie nebenher eine angeregte Unterhaltung in Gang hielt. Dabei beendete sie ihre Sätze stets mit einer Perlzwiebel als Punkt.
Horatius hingegen schien sehr wenig zu sagen, das Fondue forderte seine ganze Aufmerksamkeit. Trotz seiner Bemühungen erwies er sich jedoch lange nicht als so geschickt wie seine Partnerin. Im Nu war er mit Käsefäden geschmückt, die sich von einem Ohr zum anderen zogen und sich in seinen Barthaaren verfingen.
Schließlich schienen die beiden satt zu sein, denn Sophia legte ihre Gabel vor den Kamin und klopfte sich zufrieden auf den Bauch.
Mit zur Seite geneigtem Kopf hörte sie dem Holzfäller zu, dann sprang sie mit einem begeisterten Ausdruck auf die Füße.
»Um was es da wohl geht?«, überlegte Alice. Dann schüttelte sie den Kopf. »Erfahren haben wir ja nun doch nichts. Warum gehen wir nicht und verstecken uns unter den Bäumen, dort drüben, wo der Weg weitergeht? Dann können wir ihnen folgen wie geplant.«
»Ich sag dir, was ich erfahren habe«, schimpfte Alex. »Wir hätten gleich zur Tür gehen und um etwas Fondue bitten sollen, solange wir noch die Möglichkeit dazu hatten, statt hier am Fenster zu lauern.« In dem Moment wurde die Haustür wieder aufgestoßen.
»... direkt auf der anderen Seite von dem Holzstoß«, sagte der Holzfäller gerade mit seiner rauen Stimme.
»Sie kommen hier rüber«, stieß Alice hervor. »Schnell – wieder in das Fass.«
Also sprangen sie erneut in die Tonne. Da hörten sie Sophia fragen: »Und wie lange lassen Sie ihn reifen, Herr Brie?«
»So lange wie nötig«, war die Antwort des Holzfällers. »Zwei Jahre. Fünf Jahre. Zehn. Je länger man ihn reifen lässt, desto härter wird der Käse natürlich.«
»Käse?«, flüsterte Alex mit gespitzten Ohren.
»Ich weiß nicht, ob es so ungeheuer interessant ist, aber wenn Sie ihn wirklich ansehen wollen, Miss Sophia, dann sehr gerne.«
»Das klingt, als wäre Ihr Keller eine wahrhafte Schatzhöhle«, sagte Sophia entschlossen. »Lassen Sie sehen, Brie.«
Die beiden Mäuse hörten eine Tür knarren und Horatius’ Stimme, die ängstlich sagte: »Ihr Keller sieht aber sehr dunkel aus, Herr Brie.«
»Käse braucht ja auch kein Licht«, erwiderte der Holzfäller.
Alex stöhnte leise neben Alice. »Heißt das, wir haben in einer Tonne gesessen, während sich nur ein paar Meter weiter ein Keller voller Käse befindet?«
»Ach, man kann es schon riechen«, schwärmte Sophia. »Was für ein wunderbarer Duft.«
»Ja, das ist mein Parmesan, den Sie da riechen, Fräulein Sophia«, sagte Brie. In der Tonne konnte Alice das Stapfen seiner Füße auf der Kellertreppe hören, gefolgt von Sophias raschen, trippelnden Schritten. »Sie habenja wirklich eine gute Nase. Können Sie den Hauch Pilzaroma riechen?«
Sophias Stimme kam deutlich
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