Die Entfuehrung
heraufgeweht. »In der Tat, Brie.« Dann rief sie ungeduldig: »Komm schon, Horatius.«
»Ich warte hier«, rief Horatius von einer Stelle ganz nah bei dem Fass. »Keller«, brummte er vor sich hin. »Pfui Teufel. Unangenehme dunkle Löcher. Wie Höhlen. Womöglich gibt es da auch Fledermäuse.« Und mit diesen düsteren Vorstellungen lehnte er sich an das Fass, in dem sich Alice und Alex versteckten.
Das Fass wackelte gefährlich und warf Alice und Alex von einer Seite zur anderen. Dann fiel es um, sodass die beiden jungen Mäuse halb aus ihrem Versteck schauten. Alice blickte auf und sah in Horatius’ erschrockenes Gesicht.
»Sophia, Sophia!«, quiekte er. »Da sind sie! Sie sind hier!«
Doch Alice konnte Sophias Antwort nicht mehr hören, denn plötzlich rollten sie los.
»Festhalten, Schwesterherz!«, schrie Alex. »Es geht bergab!«
Und so war es auch, wie Alice benommen feststellte. Durch die Öffnung der Tonne sah sie mal den Himmel vorbeisausen, mal Bäume, mal Schnee, dann wieder den Himmel und Bäume und Schnee.
Sie rollten immer schneller, bis das Fass so ein Tempo hatte, dass Alice die Augen schloss und sich so weit in dieTiefe der Tonne zurückzog, wie es ging, weil sie vor Angst nicht hinaussehen konnte.
Alex, der die Sache anscheinend für ein aufregendes Abenteuer hielt, johlte: »Vorsicht, ein Loch!«
Plötzlich flogen sie durch die Luft, wobei sie sich immer noch drehten. Dann schlugen sie mit Krachen und Holpern auf, sodass Alice alle Knochen im Körper wehtaten.
»Halt es an!«, wimmerte sie.
»Kann ich nicht, Schwesterherz«, rief Alex. »Nicht bei der Geschwindigkeit! Hoppla – Glatteis.«
Kaum hatte er das gesagt, da hörte das Fass auf zu rollen und fing an zu schlittern. Alice schlug die Augen auf und sah, dass sie kopfüber den Berg hinuntersausten. Zu ihrem Kummer war kein Ende der Fahrt abzusehen – nichts als schneebedeckte Hänge, so weit sie sehen konnte.
»Jetzt kommt eine Buckelpiste!«, verkündete Alex, da wurde das gleitende Fass auch schon von einem Stoß aufgehalten. Einen Augenblick flogen sie durch die Luft, dann landeten sie unsanft. Es folgten einige Minuten – sie kamen Alice wie Stunden vor –, in denen sie über einen Hang mit kleinen, harten Schneekuppen holperten. Als sie dann wieder auf eine glatte Strecke kamen, war Alice fast erleichtert darüber, dass sie erneut rollten.
»Juhuuuu! So reist es sich gut!«, rief Alex.
Alice lag zusammengekrümmt am Boden der Tonne und schloss wieder die Augen. Sie hoffte inständig, dass diese Tortur bald ein Ende hatte.
Nachdem sie eine gefühlte Ewigkeit gerollt waren, wurde der Hang sanfter und das Fass rollte langsamer.
»Schade«, sagte Alex. »Wir halten.«
Und tatsächlich, langsam rollte das Fass aus.
Die beiden Mäuse krochen heraus und standen mit wackeligen Knien auf. Alice taumelte leicht wankend im Schnee herum. Es kam ihr so vor, als würde sich die ganze Welt immer noch drehen, sodass sie ihr Gleichgewicht nicht wiederfand und nicht scharf sehen konnte.
Doch dann sagte Alex: »Äh, Schwesterherz ...«, und mit einem Schlag war die Welt wieder klar zu sehen.
Alice schnappte nach Luft. Ein Stück weiter stand der Schlitten des Holzfällers – und von dem Schlitten aus wurden sie beobachtet von Sophia und Horatius.
10 TIMMY VOM WINNS
A listair spähte durch den Schleier aus Weidenzweigen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als erst eines, dann ein zweites Boot der Königlichen Wachen rasch vorbeiruderte, ohne zu merken, dass die Flüchtlinge nur ein paar Meter entfernt waren. Als die letzten Heckwellen der Boote verebbt waren, stieß er einen langen Seufzer der Erleichterung aus. Dann sprang er vom Floß und zog es unter dem Dach der Weide ans Ufer. Immer noch heftig atmend, sah er sich um und stellte fest, dass sie sich in einem grünen Raum befanden, der von allen Seiten umschlossen war. Wie er gehofft hatte, konnten sie hinausspähen, waren selbst jedoch völlig verborgen.
»Ein Versteck«, sagte Tibby, die noch etwas zitterte. »Genau das, was zwei gefährliche Rebellen brauchen.« Sie erhob sich und taumelte mit unsicheren Schritten an Land.
Sie lagen auf dem Rücken im weichen Gras. Licht sickerte durch die grünen Zweige.
»Das wird allmählich lächerlich«, sagte Alistair, als sein Atem endlich wieder ruhig ging. »Wir sind einfach nichtzu übersehen – wir können uns kaum bewegen, ohne entdeckt zu werden, und wir können nicht ewig von Brombeeren leben.«
»Wem sagst du das!«
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