Die Entfuehrung
Sophia.«
»Es sind Kinder aus Gerander , Horatius, die Kinder von Spionen. Und wenn sie groß sind, schließen sie sich der schrecklichen FUG an. Vergiss nicht, für wen du arbeitest, mein Lieber. Wir werden schon genug Ärger bekommen, weil wir den rotbraunen Bengel haben entwischen lassen. Ich wüsste zu gerne, wer ihn hat. Den Worten der beiden entnehme ich, dass die Tante und der Onkel keine Ahnung haben. Das lässt vermuten, dass die FUG nichts mit seinem Verschwinden zu tun hat.« Sie deutete mit ihrem Stück Brot auf ihren Gefährten. »Es ist ein Rätsel, Horatius, und ich mag keine Rätsel – es sei denn, sie stammen von mir.«
Sie erhob sich, streckte ihre schlanken Arme und gähntedamenhaft. »Wir gehen wohl besser schlafen. Morgen liegt ein langer Weg vor uns. Ich sehe noch nach, ob die lieben Kleinen auch brav in ihren Bettchen liegen, ehe ich mich in mein Zimmer zurückziehe. Und du bewachst die Haustür, nicht wahr, Horatius? Nur, falls sie plötzlich auf die Idee kommen sollten, sich ohne uns davonzumachen.«
»Natürlich, Sophia«, sagte Horatius kläglich. »Mach dir keine Gedanken um mich. Ich brauche keinen Schlaf.«
»Sehr lieb von dir«, sagte Sophia. Sie winkte mit ihrer kleinen Hand und verschwand im Hotel.
»Schnell«, zischte Alice. »Mach die Fensterläden zu, dann schlüpf unter die Decke, und tu so, als ob du schläfst.« Sie lief eilig zu ihrem Bett, krabbelte hinein und wartete mit klopfendem Herzen auf das Erscheinen von Sophia.
Minuten später hörten sie ihren leichten Schritt den Gang entlangkommen. Dann ging die Tür auf und ein Spalt Licht fiel herein, direkt auf Alices Gesicht. Obwohl ihr Puls raste, strengte sich Alice an, regelmäßig zu atmen und die Augenlider nicht zu bewegen. In seinem Bett am Fenster schnarchte Alex. Dann ging die Tür wieder zu, und sie hörten, wie am Schloss herumhantiert wurde, ehe sich Sophias Schritte wieder den Gang entlang zum Treppenhaus entfernten.
»Alex«, fragte Alice ängstlich, »wer hat den Zimmerschlüssel?«
»Ich weiß nicht«, kam Alex’ Stimme aus der Dunkelheit. »Ich glaube, Horatius hatte ihn. Er hat ihn ja gebraucht, als er unseren Rucksack heraufgebracht hat.«
»Ich glaube, jetzt hat er ihn nicht mehr«, sagte Alice. Sie schlüpfte aus dem Bett, lief zur Tür und drückte die Klinke. »Wir sind eingeschlossen!«
»Oje«, sagte Alex. »So ein Mist.«
»Wir müssen hier raus«, beschloss Alice eilig. »Ich habe Angst.«
»Aber selbst wenn wir raus könnten: Horatius bewacht doch die Haustür«, entgegnete Alex.
»Und was ist mit dem Fenster?«
Alex schüttelte den Kopf. »Zu hoch«, sagte er. »Es sei denn, wir haben irgendwas Seilähnliches ...« Er sah sich im Zimmer um, als könne da rein zufällig ein aufgerolltes Seil herumliegen. »Ich weiß was.« Er rutschte vom Bett und zog am Laken, bis es sich von der Matratze gelöst hatte. »Nicht lang genug«, sagte er. »Her mit deinem Laken, Schwesterherz.«
»Glaubst du, dass der alte Trick mit aneinandergeknüpften Laken tatsächlich klappt?«, fragte Alice, während sie zusah, wie ihr Bruder die beiden Laken miteinander verknotete.
»Hast du vielleicht eine bessere Idee?«, wollte Alex wissen.
»Nein.«
»Dann sei still und lass mich machen.«
Alice schwieg eine Weile, bis ihr durch den Kopf schoss, dass es ein weiteres Problem gab. »Sophia hat das Zimmer unter uns.« Voller Verzweiflung schüttelte sie den Kopf. »Sie hat wirklich an alles gedacht. Wenn wir durchs Fenster verschwinden, müssen wir direkt an ihrem Fenster vorbei.«
Alex hielt inne und rieb sich das Kinn. Dann zuckte er mit den Schultern. »Also, ein anderer Weg hinaus fällt mir nicht ein. Wir müssen einfach warten, bis sie schläft, und so leise wie möglich hinunterklettern – und dann die Beine in die Hand nehmen.«
Er machte weiter. Ein Ende des Hilfsseils knotete er am Kopfende seines Bettes fest und zog daran, um zu testen, ob der Knoten hielt.
»Das müsste klappen«, sagte er. »Was meinst du, wie lange sollen wir warten?«
Alice schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht ... eine Stunde?«
Stumm lagen sie auf ihren Betten. Sie mussten sich anstrengen, um wach zu bleiben, während sie darauf warteten, dass eine Stunde verging. Immer wieder kamen Alice Sophias Worte in den Sinn: Dann entledigen wir uns ihrer ... rotbraune Bengel ... Kinder aus Gerander, Kinder von Spionen ... Sie spürte, wie es ihr eiskalt den Rücken hinunterlief, und setzte sich mit einem Ruck auf.
»Lass uns
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