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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Watts
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hatten, das ihnen wichtiger war als ihr eigenes Leben: für die Freiheit aller Gerandiner. Offensichtlich hatten sie entschieden, dass sie nicht einfach abwarten und untätig sein konnten. Wie aber sollte sein eigenes Leben aussehen, wenn er in Tempelton festsaß, selbst, wenn er in Tibby Rose eine Gefährtin hatte? Er drehte sich nach seiner Freundin um.
    »Tibby«, sagte er, »ich warte nicht, bis Oswald zurückkommt. Ich möchte nicht nach Tempelton. Ich gehe heim nach Smiggins.«
    Er hatte ein schlechtes Gewissen, dass er Happy und Slipper nicht gehorchte. Sie waren schließlich auf ihrer Seite, auch wenn er selbst und Tibby Rose im Grunde nichtentschieden hatten, auf irgendeiner Seite zu sein. Aber ob es nun dieselbe Seite war oder nicht, Alistair konnte sich nicht vorstellen, untätig in Großvater Nelsons und Großtante Harriets großem weißem Haus auf dem Hügel am Rand von Tempelton zu sitzen (wie lange – sein Leben lang womöglich?), während andere den Kampf fortsetzten, für den zu sterben sich seine Eltern entschlossen hatten. Nein. Er war vielleicht noch ein Kind, aber es war auch sein Kampf. Schließlich war er fast entführt worden! (Wobei ihm Happy Thompson ja im Grunde nicht erklärt hatte, warum nur er selbst in Gefahr war und seine Geschwister nicht.) Er würde sich der FUG anschließen und dem Widerstand helfen, so gut er konnte. Aber zuerst musste er seine Geschwister treffen und Tante und Onkel sehen. Er musste sich vergewissern, dass sie in Sicherheit waren, und sie überzeugen, dass auch er nicht in Gefahr schwebte.
    Tibby ging ganz in Gedanken verloren mit gesenktem Kopf langsam über die Lichtung und stellte sich vor das Feuer, das inzwischen nur noch ein Haufen Glut war.
    Wahrscheinlich wäre sie erleichtert, wieder bei Großvater und Großtante zu sein und ihr ruhiges, aber sicheres Leben in Tempelton weiterleben zu können, vermutete Alistair. Es würde ihm allerdings leidtun, sie als Gefährtin zu verlieren. In mancher Beziehung stand er ihr näher als Alice und Alex. Vielleicht lag das an all den Gefahren, die sie zusammen erlebt und bestanden hatten. Oder auch, weil sie so viel gemein hatten – beide liebten sie Bücherund Apfelkuchen, beide verabscheuten sie Brombeeren und hassten es, von den Königlichen Wachen gejagt zu werden. Und sie waren beide rotbraun.
    Schließlich sagte Tibby: »Mir ist nicht so recht wohl bei dem Gedanken, Großvater Nelson und Großtante Harriet zu verlassen – vor allem, nachdem ich jetzt weiß, wie viel sie für mich geopfert haben. Sie haben die ganzen Jahre praktisch im Verborgenen gelebt, nur, damit ich nicht entdeckt werde. Aber dennoch ...« Sie seufzte. »Ich möchte nicht den Rest meines Lebens untergetaucht in Tempelton verbringen. Und nicht nur das: Wenn mein Vater Gerandiner war, bin ich es auch. Ich möchte nicht von der FUG behütet werden. Ich möchte dazugehören.«
    Es war, als hätte sie Alistairs Gedanken gelesen.
    Alistair musste unwillkürlich grinsen, so erfreut war er, aber er sagte nur: »Also gut, dann gehen wir jetzt besser. Oswald ist schnell, wir haben nicht lange Zeit. Und er wird nach uns suchen, wir müssen uns also versteckt halten. Das bedeutet, dass wir nicht die Straße nehmen können.«
    Tibby hob ein paar Hände voll Sand auf und streute sie über die Glut, um sie zu löschen. »Lass uns an der Küste entlanggehen und uns von dort aus orientieren«, schlug sie vor.
    Sie schlängelten sich zurück durch das Gestrüpp bis zur Felsanhöhe, wo Tibby sich nach allen Seiten umschaute.
    »Dort drüben sehe ich einen leichten Schein glühen«, sagte sie und deutete nach Westen. »Ich vermute, das ist Sadiz.«
    »Sadiz?«
    »Das ist ein Hafen.«
    »Prima«, sagte Alistair. »Dann lass uns dorthin gehen. Wir suchen nach einem Schiff, das nach Schetlock fährt.« Sie blieben oben auf den Felsen und hielten sich im Schutz der struppigen, verkrüppelten Bäume, die in der Buschlandschaft standen. Dort hofften sie, vor den scharfen Augen des Uhus verborgen zu sein.
    »Wenn mir Happy und Slipper doch nur noch mehr über meinen Vater erzählt hätten«, sagte Tibby, während sie auf Sadiz zuwanderten. »Ich war erst ein paar Monate alt, als er starb. Ich kann mich also überhaupt nicht an ihn erinnern. Und ich habe nie jemanden getroffen, der ihn gekannt hat – na ja, außer Großvater Nelson und Großtante Harriet, aber die haben nie über ihn geredet. Und sie haben auch nie durchblicken lassen, dass er aus Gerander

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