Die Entfuehrung
ist.«
»Das war wohl einfach zu gefährlich«, sagte Alistair. »Onkel Ebenezer und Tante Beezer haben mir auch nie was erzählt. Gerandiner haben anscheinend Angst, es untereinander zu erwähnen. Wahrscheinlich gibt es auf beiden Seiten Spione. Es hat sich doch gezeigt, dass Timmy vom Winns genau gewusst hat, wer wir sind – woher nur? –, aber er hat nicht ein einziges Mal angedeutet, dass wir alle aus Gerander sind.« Oder doch? Alistair fiel ein, was der nachtblaue Mäuserich über den Fluss Winns gesagt hatte: Er ist wie das Rückgrat, das unseren Kopf mit unseren Füßen verbindet. Seine Adern laufen durch unser Land und sein Wasser rinnt durch unsere Adern .
Alistair hatte vermutet, dass Timmy, als er ›unser‹ sagte, sich und Griff und Mags und die anderen gemeint hatte. Aber war es möglich, dass er ihn mit einbezogen hatte? Er wusste nicht, wo der Winns war, aber vielleicht floss er ja durch Gerander. Er musste es herausfinden. Nachdenklich zog er an den Enden seines Schals. Er musste noch viel über sein Heimatland herausfinden.
Nachdem sie fast zwei Stunden schweigend durch die Dunkelheit gestapft waren, erreichten sie schließlich einen Felsvorsprung, von dem aus man über den Hafen von Sadiz blicken konnte. Er schmiegte sich in den Bogen einer lang gezogenen, ruhigen Bucht. Das eine Ende der Bucht wurde von einer riesigen Steinfestung beherrscht. Es war zu dunkel, um die Farben der Fahne zu erkennen, die darüber flatterte, aber Alistair glaubte, wetten zu können, dass sie violett und silbern war, in den Lieblingsfarben von Königin Eugenia. Unterhalb der Festung lag eine Flotte von Fischerbooten geschützt hinter einer Mole. Am östlichen Ende des Hafens waren die Anlegeplätze der großen Schiffe.
»Lass uns zum Kai hinuntergehen«, sagte Alistair. »Ich habe einen guten Einfall.«
»Sollten wir nicht bis zum Morgen warten?«, fragte Tibby.
Alistair schüttelte den Kopf. »Nein. Jetzt ist genau dierichtige Zeit, um die Mäuse zu finden, nach denen wir suchen.«
»Welche, die nicht schlafen können?«
»Piraten«, sagte Alistair.
Tibby griff sich an die Ohren und rieb sie heftig. »Bitte?«, sagte sie. »Ich verstehe dauernd Piraten .«
»Ganz genau«, erwiderte Alistair. »Das ist mein guter Einfall: Wir werden Piraten.«
»Piraten«, wiederholte Tibby, als könne sie immer noch nicht ganz glauben, was sie da hörte.
»Happy und Slipper haben doch gesagt, dass zwei sourisanische Spione nach mir suchen«, erinnerte Alistair sie. »Wir wollen ihnen lieber nicht durch einen Zufall begegnen. Es ist also ganz wichtig, unerkannt zu bleiben. Das bedeutet, dass wir es vermeiden müssen, auf einem kleinen Schiff mit einem geschwätzigen Fischer oder dem Kapitän eines Frachters zu landen, der wissen will, wer wir sind, und sich später vielleicht an uns erinnert. Ein Piratenschiff ist perfekt. Piraten wollen nie wissen, woher man kommt.«
»Alistair«, sagte Tibby ernst, »ich mache mir Sorgen um dich. Fühlst du dich auch ganz wohl? Oder noch ein bisschen benommen von unserem letzten Flug mit der Eulenlinie? Oder von zu wenig Schlaf? Ich habe mich immer darauf verlassen, dass du ein bedächtiger, vorsichtiger, vernünftiger Mäusejunge bist. Und nun sind wir nach Mitternacht unterwegs zu dem Hafen von Souris, wo es am schlimmsten zugeht, und auch noch auf der Suche nach Piraten!«
Alistair lachte. »Ich sehe schon, du und Alice, ihr würdet prächtig miteinander auskommen. Du wirst ihr mit jedem Tag ähnlicher.«
»Ich weiß, dass du das als Kompliment meinst«, sagte Tibby, »aber ich hoffe, du nimmst es mir nicht krumm, wenn ich sage, dass du immer mehr so klingst, wie du mir deinen Bruder Alex beschrieben hast.«
»Tja«, sagte Alistair, »die beiden haben mir dauernd vorgehalten, weniger Zeit damit zuzubringen, über Abenteuer zu lesen, und mehr, welche zu erleben. Wenn sie mich jetzt nur sehen könnten!«
»Wenn sie dich jetzt sehen könnten, würden sie dir sagen, dass du verrückt bist«, schimpfte Tibby. »Ich wage zu bezweifeln, dass sie gemeint haben, du solltest nach Piraten suchen.«
»Da könntest du recht haben«, erwiderte Alistair nach kurzem Nachdenken. »In Smiggins hat es nicht viele Piraten gegeben. Aber hast du vielleicht einen besseren Plan?«
Tibby musste zugeben, dass sie keinen hatte. »Also gut«, sagte sie, »mal angenommen, dass dein Einfall gut ist – was ich noch nicht glaube –, wie sollen wir denn an Bord eines Piratenschiffes kommen? Wir können
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