Die Entführung der Musik
zeremonienmeister sagen würde, wenn er mich so sehen könnte.«
»Dich sehen könnte?« Hoffnungslos fuhr Pivver sich über Arme und Hüfte. »Seit Tagen ist mein Fell nicht richtig gekämmt worden. Noch eine Woche in diesem offenen Sumpf, und ich sehe mehr wie eine Stoffpuppe aus als wie eine Vertreterin des Königshauses des großen Trenku.«
»Da kann ich mitfühlen.« Ansibette fuhr sich durch die schulterlan- gen goldenen Locken. »Ich muß mich nur darum kümmern, und das reicht mir schon.« Bewundernd schaute sie Seshenshe an. »Ich gäbe alles darum, einen so dichten natürlichen Pelz zu haben wie du oder Pivver.«
»Das ist in Ordnung.« Die Otterdame war verständnisvoll. »Ich gä- be alles darum, wenn ich dein... dein... Sei froh, daß du kein Fell hast. In dieser Feuchtigkeit ist Fell kein Segen.«
Aleaukauna hatte angestrengt nachgedacht, während sie ihren Lei- densgenossinnen zuhörte. »Wir wären besser daran, wenn wir unsere Zeit darauf verwendeten, uns unserer gegenwärtigen Situation anzu- nehmen, statt sie nur zu beklagen. Zählen wir denn nicht zum Beispiel einen großen Bannsänger in unseren Reihen?« Sechs gleichermaßen intensive Frauenblicke wandten sich Jon-Tom zu, der sich wieder einmal im Mittelpunkt einer zweifelhaften Aufmerksamkeit fand.
»Ganz bestimmt kann jemand, der so gut beschwört, ein paar einfache Kosmetikartikel herbeibannen.«
Umagi schnalzte mit den Fingern. »Ja, darin läge doch keinerlei Ge- fahr, Jon-Tom.«
»versucht es, bannsänger«, bat Quiquell mit gehauchter Stimme.
»Ich weiß nicht.« Er blickte sie von der Seite an. »Mudge, was meinst du?« Er drehte sich um und runzelte die Stirn. »Mudge?«
»Hat gesagt, er geht fischen.« Heke sah angewidert drein.
»Mitten in der Nacht?«
»Hey, fragt ihn doch selber!« bellte der Mungo. »Er ist Euer Freund.«
»Nun, was meint Leutnant Naike? Er hat doch gewiß eine Meinung dazu.«
»Ich nehme an, die hat er gewissermaßen.« Pauko schaute von der Bratpfanne auf, die er gerade auswusch. »Aber er ist mit Eurem Freund zusammen weggegangen.«
»Und ihr seid nicht verschwunden?« fragte Jon-Tom.
»Meint Ihr, wir hätten keinen Befehl, hier zu bleiben?« antwortete Karaukul kläglich.
Wortlos nahm Jon-Tom die Duar auf, die er sorgfältig auf einen vergleichsweise trockenen Stein gelegt hatte. Allmählich hatte er ge- nug von den Prinzessinnen und ihren jeweiligen Sorgen. »Euer Hohei- ten wollen Kosmetik? Sie sollen Kosmetik haben. Tretet zurück.«
Sie folgten seiner Aufforderung und schauten mit einer Mischung aus Erwartung und Verwunderung zu, wie er zu singen begann.
Es machte ihm keine Mühe, Bruchstücke alter Lieder mit neuen Versen zu kombinieren. Von den alten Rocksongs, die er kannte, hatte jeder zweite irgend etwas mit dem Aussehen und der persönlichen Er- scheinung zu tun. Ekstatisch umflatterten ihn beim Singen die verirr- ten Akkorde.
Ohhh, Baby, für dich mach ich mich fein. Putz mich heraus für den Ball.
Mach sie schön, sag nicht, kann sein, Farbe und Tand überall!
Glitter, Make-up und Firlefanz, Spar nur nicht an Glanz, Denn keiner soll heut übersehn, Wie wunderschön sie dort stehn!
Tatsächlich vibrierte die Duar als Reaktion auf sein wildes Spiel. Zum ersten Mal entstieg dem interdimensionalen Nexus ein Strom vielfarbigen statt monochromen Lichts und umhüllte die quiekenden, kreischenden, wie flüchtige Schlangen sich windenden Prinzessinnen von allen Seiten. Die Soldaten sprangen in Deckung, wobei die Pfan- ne, die Pauko gerade ausgewaschen hatte, von ihm in der Eile klirrend gegen einen Stein geschleudert wurde. Nur die treibende Akkordwol- ke wirkte begeistert und steuerte zu den schneidenden Lichtfluten eine Ahnung von musikalischer Begleitung bei.
Während Jon-Tom mühsam sein bockendes, zuckendes Instrument umklammert hielt, fragte er sich, ob er nicht hätte warten sollen, bis er ein wenig ruhiger war. Zu spät. Er hatte die Magie aus der Duar he- raufbeschworen, und nun war sie in voller Kraft da, so strahlend, daß alles außer den Umrissen der Prinzessinnen von ihr verhüllt wurde.
Hinter dem Klingeln der Akkorde und dem hervorströmenden Licht hörte er Seshenshe lachen.
»Es kitzelt!«
»Und es ist kalt!« fügte Aleaukauna von irgendwo in der Nähe hin- zu.
Ohne innegehalten und einen Blick auf das Ergebnis geworfen zu haben, beschloß Jon-Tom, daß dies ein Banngesang war, den er am besten zu einem raschen Ende führte. Nachdem er die letzte Strophe mit ein
Weitere Kostenlose Bücher