Die Entführung der Musik
paar hastigen, unzusammen hängenden Worten beendet hatte, nahm er die Finger von den Saiten der Duar. Die sich windenden bun- ten Lichtstrahlen reagierten, indem sie wie Konfetti auseinanderstoben und in einem kurzen, aber heftigen Schauer funkelnder Partikel zu Boden fielen. Dort verschmolzen sie mit dem feuchten Grund und brachten die holprige Oberfläche des ungepflasterten Wegs einen Moment lang wie eine pompöse Märchenstraße zum Erglühen.
Als die Farben sich aufgelöst hatten, standen die Prinzessinnen in ihrer ganzen neuerglänzten Herrlichkeit da. Aus dem Schreien und Keuchen wurden Gekicher und mühsam unterdrücktes Lachen.
»Worüber lachst du denn?« fragte Seshenshe lächelnd, als sie Qui- quell betrachtete.
Die Ameisenbärin machte eine Geste mit der Zunge, »ich bin mir nicht sicher, ob ein muster aus purpurroten und rosafarbenen punkten wirklich zu deinem fell paßt, und würde dieser ring nicht in einem deiner ohren besser aussehen als in der nase?«
Die Luchsdame schielte nach unten und legte dann beide Pfoten auf die Schnauze, von der jetzt ein schwerer vierundzwanzigkarätiger Goldring herabbaumelte. »Nein! Woher kommt denn dass? Sso etwass trage ich nicht!« Heftig drehte sie sich zu Jon-Tom um.
»Was ist denn falsch mit einem Nasenring?« Abschätzend betrach- tete Ansibette den neuen Schmuck der Luchsdame. »Ich finde, er ist recht schmeichelhaft.«
»So schmeichelhaft wie deine Tätowierung?« fragte Umagi und streckte die Hand aus.
»Tätowierung? Welche Täto... Beim Bauch meiner Urgroßmutter!« Sie packte eine Handvoll des fließenden Stoffes ihres Kleides und rubbelte sich damit wild über den rechten Arm. »Es geht nicht ab! Geht es nicht ab?«
Jon-Tom trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. Vielleicht wäre sie nicht ganz so aufgebracht, überlegte er, wenn die Tätowierung nicht ihren ganzen Körper von der Stirn bis zu den Füßen überzöge.
Er persönlich fand sowohl die Wirkung als auch die Kunstfertigkeit der Ausführung recht elegant, obwohl er bei näherer Betrachtung das Gefühl hatte, ein oder zwei kleinere Einzelheiten mochten vielleicht ein wenig anstößig sein. Insbesondere ein Bild, das auf ihrer rechten Schulter begann und zum Ausschnitt hinunterlief und...
»Schaut, was Ihr getan habt!« heulte Ansibette auf. »Wie kann ich zu meiner Familie zurückkehren, wenn ich wie... wie ein wandelndes Gemälde der königlichen Galerie aussehe? Insbesondere diese Art von Gemälde!« Sie zeigte auf die eingeätzte Gravierung, die auf der Schulter begann und dort endete, wo...
Jon-Tom hielt die Stellung. »Euer Hoheiten haben alle um kosmeti- sche Verschönerung gebeten. Dies ist nicht gerade mein Spezialge- biet.«
Umagi rieb wie verrückt an der nicht löslichen Körperfarbe herum, die ihren massigen Körper von oben bis unten mit einem komplizier- ten geometrischen Muster überzog. Pivver trug nun eine Kombination aus mit Goldlitze besetzten Bändern und Ringen, die direkt in der Haut zu sitzen schienen, während Aleaukaunas dunkelbraunes Fell von Kopf bis Fuß radikal kurzgeschnitten war.
Alles in allem konnte man sagen, daß die Prinzessinnen mit der Art, wie Jon-Tom ihrer Nachfrage entsprochen hatte, nicht gänzlich zu- frieden waren. Vielleicht wäre sogar die Behauptung genaugenommen keine Übertreibung gewesen, daß nämlich der Bannsänger - wäre es möglich gewesen, jemanden mit Blicken zu lynchen - schon vom Ast eines benachbarten Baumes herab gebaumelt hätte.
Zu Jon-Toms Überraschung war es Heke, der ihm zu Hilfe kam, in- dem er ruhig aber bestimmt darauf hinwies, daß der Bannsänger nur ihren Wünschen nach gekommen war und daß sie, hätten sie ihm nicht so lange zugesetzt, sich nun nicht mit ihrem veränderten Aussehen auseinander setzen müßten. An dem er persönlich, fügte er hinzu, üb- rigens nichts auszusetzen habe. Andere mochten vielleicht einen Farbklecks hier und einen Kurzhaarschnitt da ein wenig ausgefallen finden, doch alles in allem sei er der Meinung, sie sähen höchst at- traktiv aus.
Diese Rede milderte ihren Unmut nur leicht. Sie knurrten weiterhin gräßliche Verwünschungen vor sich hin und überschütteten sich ge- genseitig mit Mitgefühl.
»Euer Hoheiten, es tut mir leid«, erklärte Jon-Tom, »aber nach al- lem, was Mudge und ich für Euch durchgemacht haben, erschien mir Euer Bestehen auf etwas so Trivialem ein wenig unangebracht. Aber meine Reaktion auf Eure Bitte sollte eigentlich nicht so... heftig aus-
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