Die Entfuehrung
diese Richtung.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Noch bis vor ein paar Stunden war ich davon überzeugt, dass General Howe hinter Kristens Entführung steckt und dass er alles tun würde, um die Wahl zu gewinnen. Dann haben Sie mein Augenmerk in eine andere Richtung gelenkt, als Sie meinten, Mitch sei vielleicht verbittert über unsere Trennung. Verbittert darüber, dass ich ihn in Miami zurückgewiesen habe. Möglicherweise so verbittert, dass er mir vor ein paar Monaten das mit meinem eigenen Lippenstift bemalte Foto zuschickte.«
»Das schien mir plausibel.«
»Oberflächlich betrachtet, ja. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam es mir vor. Mitch hatte Probleme, wenn er getrunken hatte, das ist klar. Aber selbst im stark betrunkenen Zustand wäre er zu intelligent gewesen und hätte zu viel Angst vor dem Gefängnis gehabt, um der Justizministerin Drohbriefe zuschicken. Es sah immer mehr so aus, als wollte jemand den Verdacht auf Mitch lenken. Und dabei ist dann der Groschen gefallen.«
»Wieso?«
Ihre Stimme wurde belegt. »Erinnern Sie sich an den Abend, als General Howe im Fernsehen auftrat, um zu den Entführern zu sprechen? Der Abend, an dem er den Kindesentführern den Krieg erklärte?«
»Natürlich.«
»Erinnern Sie sich auch daran, dass Sie so misstrauisch waren, weil er Kristen nie beim Namen genannt hatte? Sie sagten, es wäre wie bei einem anderen Fall, den Sie einmal hatten. Ein Vater hatte seine kleine Tochter getötet, und in Interviews bezeichnete er sie nur als es , anstatt sie beim Namen zu nennen oder wenigstens sie zu sagen.«
»Richtig. Psychologisch betrachtet, war das seine Art, sich von dem Verbrechen zu distanzieren. Indem er das Wort es benutzte, hat er das Opfer entpersonalisiert und konnte dadurch leichter mit dem fertig werden, was er getan hatte. Ich habe damals vermutet, dass auch Howe sich so verhielt. «
Allison betrachtete wieder aufmerksam das Videobild auf dem Fernseher, während sie weitersprach. »Ich habe hier ein Band, das zwei Tage nach Emilys Entführung aufgenommen wurde. Ich möchte Ihnen den Hintergrund ein wenig erläutern. Peter und ich hatten uns zu der Zeit etwa sieben Monaten lang immer wieder getroffen. Er war wirklich verliebt; aber ich, ehrlich gesagt, nicht. Ich hatte ihm sogar erklärt, dass ich nicht vorhätte zu heiraten, sondern dass ich völlig glücklich wäre, Emily alleine großzuziehen. Dennoch hat er mich unglaublich unterstützt, nachdem Emily weg war - von Anfang an. Er ging sogar zum Fernsehen, um eine Belohnung in Höhe von einer halben Million Dollar auszusetzen für Hinweise, die zur Verhaftung von Emilys Entführern führen würden. Hören Sie sich an, was er gesagt hat.«
Sie drückte auf die Starttaste und hielt den Telefonhörer an den Lautsprecher des Fernsehers. Peters Stimme erklang dröhnend. »Wir werden das Baby finden. Wir werden es nie vergessen. Allison und ich werden alles, was menschlich und finanziell in unserer Macht steht, unternehmen, um es zu finden. «
Allison zitterte so sehr, dass sie kaum in der Lage war, das Band mit der Fernbedienung anzuhalten. »In drei Sätzen hat er sie einmal das Baby und zweimal es genannt, aber kein einziges Mal Emily.
»Nun gut, das ist gerade mal ein Band.«
»Auf allen anderen Bändern ist es genauso, Harley. Ich habe es mir genau notiert. Dreiundzwanzig Mal nennt er Emily es . Kein einziges Mal hat er ihren Namen erwähnt.«
Harley schwieg.
»Sind Sie noch dran?« fragte sie.
»Ja«, antwortete er. »Ich würde mir die Bänder gerne ansehen. Ich kann in einer Viertelstunde bei Ihnen sein.«
»Die Bänder liegen bereit.«
Allison legte den Hörer auf. Ihre Hände zitterten, als sie auf den Bildschirm starrte. Das Standbild zeigte Peter, wie er zur Presse sprach.
»Mein Gott, Peter.«
53
Peter war im Schlafzimmer und packte gerade einen Koffer für den Flug nach Chicago, als sein Telefon klingelte. Es war der Apparat auf dem Nachttisch neben seinem Bett, den er nur für geschäftliche Zwecke nutzte. Er legte den Armani-Anzug aufs Bett und nahm ab.
»Hallo.«
Er hörte ein Klicken, dann eine Mitteilung. »Sie haben eine E-Mail.« Noch ein Klicken, dann erschien das Freizeichen.
Er legte den Hörer auf die Gabel und betrachtete ihn verwirrt. Die Stimme war ihm vertraut. Es war jene Digitalstimme, die automatisch zu hören ist, wenn man den Computer anschaltet und sich eine E-Mail in der Mailbox befindet- die »persönliche« Note in einer
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