Die Entfuehrung
keinem der Bänder irgendwen gesehen, der auf verdächtige Weise wieder in ihrem Leben aufgetaucht war.
Es war fast fünfzehn Uhr, als ihr Telefon klingelte. Sie drückte den Pausenknopf auf der Fernbedienung und nahm ab.
»Ich bin's, Harley. Ich weiß, dass Sie keinen FBI-Schutz wollen, aber ich habe hier etwas, das Sie wissen sollten - mit oder ohne uns.«
»Haben Sie O'Brien gefunden?«
»Nein. Es gibt noch kein Lebenszeichen von ihm. Aber wir haben jetzt die DNA-Ergebnisse von dem Speichel, der in dem Lippenstift auf Ihrem Foto war.«
»Und was ist dabei herausgekommen?«
»Negativ, was Diane Combs betrifft - Sie erinnern sich an die Frau, die wir tot in Philadelphia aufgefunden haben. Ich hatte vermutet, sie könnte mit der Entführung zu tun haben.«
»Was ist mit Natalie Howe?«
»Auch negativ.
»Was bedeutet das für uns?«
»Das Ausschlussverfahren führt uns zu Mitch O'Brien.« Sie schnaubte verächtlich. »Da müsste sich Mitch O'Brien in den letzten acht Jahren aber sehr verändert haben. Ich nehme kaum an, dass er neuerdings Lippenstift benutzt.« »Nein, aber Sie.« »Wovon reden Sie eigentlich?«
»Wir wissen jetzt, dass der Buchstabe E auf Ihrem Foto mit einem Lippenstift der Marke Chanel geschrieben wurde.« »Das ist meine Marke.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Ich hätte gerne, dass Sie uns eine DNA-Probe ins Labor bringen. Ich möchte wetten, dass der Speichel an dem Lippenstift von Ihnen stammt.«
»Und das bedeutet was? Dass ich mir das bekritzelte Foto selbst geschickt habe? An dem Punkt waren wir doch schon, Harley. Sie drehen sich im Kreis.«
»Aber verstehen Sie denn nicht? Das ist ein weiterer Hinweis auf O'Brien. Wahrscheinlich hat er den Lippenstift aus Ihrer Handtasche genommen, als Sie sich in dem Hotel in Miami Beach getroffen haben. Oder vielleicht auch bei der Gala in Washington.« Allison schwieg.
»Allison?« fragte er. »Sie bringen uns eine Speichelprobe ins Labor, okay?« Sie reagierte nicht. »Allison?«
»Selbstverständlich, Harley. Ich werde sie Ihnen vorbeibringen. Sobald ich kann.«
»Es ist sehr wichtig.«
»Wenn Sie wüssten«, sagte sie gepresst. »Wir reden später noch miteinander.« Sie legte auf und starrte ins Leere. Harley hatte sie letztlich auf die Spur gebracht. Sie wühlte in dem Karton mit Bändern, der auf dem Boden stand - in den Bändern, die sie schon gesichtet hatte. Es gab da eine bestimmte Stelle, die sie sich noch einmal ansehen musste. Jetzt, wo ihr die Augen geöffnet worden waren.
52
Die warme Sonne von Florida glitzerte auf den blaugrünen Wellen der Biskayne-Bucht. Segelboote kreuzten vor dem Hafen von Miami. Die Anlegeplätze lagen verlassen da, die Ausflugsdampfer waren alle unterwegs. Nach Süden hin thronte die Miami-Skyline aus Glas und Granit über der Bucht und dem Fluss. In Richtung Norden und Osten erstreckte sich die Insel Miami Beach zwischen dem Atlantik und dem Festland. Dazwischen lagen einige der teuersten Immobilien der Welt - eine Kette von kleinen bewohnten Inseln, durch Brücken miteinander verbunden, aufgereiht in der Bucht wie riesige Trittsteine. Hier hatten viele Wohlhabende aus Miami ihre Residenzen, eine Parade von Villen im mediterranen Stil, wie sie in dieser Anzahl am Mittelmeer selbst nicht zu finden sind. Viele der Häuser waren nur im Winter bewohnt und standen bis Thanksgiving leer. Hin und wieder überprüften die Patrouillenboote der Marine die Anlegestellen hinter den unbewohnten Häusern auf illegal festgemachte Boote.
Am Montagmorgen fanden sie eins, für das sich das FBI interessierte.
Special Agent Manny Trujillo vom Außendienstbüro des FBI in Miami nahm den Anruf zusammen mit seinem Partner und einem Team der Spurensicherung entgegen. Trujillo leitete die Suchaktion in Südflorida, auf einem Abschnitt, der sich von Key West bis Palm Beach erstreckte. Die Entdeckung von Mitch O'Briens Boot war der schwerverdiente Lohn für die kräftezehrenden Bemühungen mehrerer beteiligter Einheiten.
Die Marine-Patrouille hatte schon vor der Ankunft der FBI-Leute festgestellt, dass das Boot leer war. Trujillo sicherte Boot und Steg als Schauplatz eines Verbrechens. Die Spurensicherung verbrachte den Rest des Vormittags damit, Fingerabdrücke zu nehmen und Beweismittel zu sichern, die zu Mitch O'Brien führen könnten. Nach dem Mittagessen rief Trujillo vom Boot aus bei Harley Abrams an, um Neuigkeiten zu berichten.
»Irgendwelche Anzeichen eines Verbrechens?« fragte Harley.
»Nichts
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