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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grippando
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griffiger Slogan«, sagte sie und sah Helmers an. Dann wandte sie sich zu Wilcox. »Aber ich glaube, ich ziehe die Milchtüten vor.«
    Die Männer verfielen in verlegenes Schweigen. Schließlich setzte Wilcox zum Sprechen an. »Allison, wir, äh - «
    »Versuchen Sie erst gar nicht, sich zu erklären, David. Machen Sie ganz einfach ohne mich weiter. Und gewöhnen Sie sich schon mal dran. Denn egal, ob wir gewinnen oder verlieren, nach der Wahl werden Sie es sowieso wieder sein: ohne mich.« Sie wandte sich um und eilte den Flur hinunter.
    Wilcox rannte hinter ihr her. »Allison, wir müssen miteinander sprechen.«
    Sie drehte sich um und sah ihm ins Gesicht. Sie bebte vor Wut. »Von Anfang an habe ich eine unantastbare Regel für diesen Wahlkampf aufgestellt. Niemand sollte auf die Idee kommen, meine Tochter zum Wahlkampfthema zu machen. Habe ich das nicht gesagt?« » Allison - «
    »Habe ich das gesagt oder nicht?« fragte sie mit Nachdruck.
    »Ja. Sie haben es gesagt. Aber - «
    »Aber Sie halten sich nicht daran. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, tatsächlich das Bild Ihrer eigenen Tochter auf Milchtüten oder auf dem Fernsehschirm im Postamt zu sehen, zusammen mit hundert anderen Kindern, die seit Jahren vermisst werden und wahrscheinlich nie wieder auftauchen. Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Kaufhaus oder in den Supermarkt und schielen in jeden Kinderwagen, weil ja Ihr Baby drin sein könnte. Und dann stellen Sie sich vor - versuchen Sie es wenigstens -, Ihr eigener Wahlkampfstratege hat die glänzende Idee, Ihre Erinnerungen politisch auszuschlachten.«
    »Das war nicht ernst gemeint.«
    »Das war sehr wohl ernst gemeint. Machen Sie es doch nicht noch schlimmer, indem Sie mich anlügen. Bitte, bleiben Sie eine Zeitlang aus meinem Blickfeld.« Sie drehte sich um und eilte zur Tür hinaus.
    Eisiger Wind empfing sie auf dem Bürgersteig zusammen mit den Agenten des Secret Service. Im Eiltempo ging sie zu ihrer Limousine, schlüpfte hinein und schlug die Tür hinter sich zu. Als die Limousine losfuhr, sah sie vom Rücksitz aus, wie Wilcox auf dem Bürgersteig neben ihr her rannte. Sie konnte seine Stimme nicht hören, aber sein gepeinigter Gesichtsausdruck füllte das Fenster aus. Mit dampfendem Atem klopfte er panisch gegen die Scheibe und formte mit dem Mund die Worte: »Allison. Bitte!
    »Fahren Sie zu«, wies sie den Fahrer an. Die Limousine schoss in den Verkehrsstrom. Wilcox blieb frierend in Hemdsärmeln am Bordstein zurück.
23
    Kristen Howe fürchtet sich nicht.
    Während sie in einem zugigen Keller mit dem Rücken auf einer zu weichen Matratze lag, wiederholte sie diese Worte ein ums andere Mal. Mit geschlossenen Augen prägte sie sich den Satz wie ein Mantra ein, genauso wie sie es gemacht hatte, als sie fünf war und Angst hatte, bei ausgeschaltetem Licht zu schlafen. Meistens hatte die Stimme in ihrem Kopf wie ihre eigene geklungen. Aber immer, wenn die Dämonen verrückt gespielt hatten, wenn das Herzrasen sie an den Rand der Verzweiflung getrieben hatte, konnte sie die beruhigende Stimme ihrer Mutter hören.
    Kristen Howe fürchtet sich nicht. Sie bildet sich das nur ein.
    Diesmal war es aber keine Einbildung. Wenn alles angeblich nur in ihrem Kopf passierte, wie kam es dann, dass sie nicht sprechen konnte? Sie hatte ja versucht, laut zu sprechen - nicht nur in Gedanken, sondern sich wirklich selbst zu sagen, dass sie sich nicht fürchtete -, aber das Pflaster auf ihrem Mund war eindeutig vorhanden. Die Handschellen, die ihr ins Handgelenk und in den Knöchel schnitten, waren ebenso vorhanden. Der Schmerz in ihrer vollen Blase war vorhanden. Die Schritte und die fremden Stimmen über ihr waren auch alle vorhanden.
    Dennoch schien zeitweilig nichts von alldem vorhanden zu sein
    Sie erinnerte sich daran, dass sie auf ihrem üblichen Weg vom Uni-Campus in Richtung High-School gegangen war. Sie konnte sich auch daran erinnern, dass der Bus ihr zu dicht gefolgt war und am Bordstein angehalten hatte. Die Beifahrertür hatte sich geöffnet. Das Gesicht des Fahrers war versteckt hinter einer Halloween-Maske aus Gummi mit dem Bild von Lincoln Howe. Ein Mann, der auf keinen Fall Reggie war, hatte sie am Arm gepackt. Aber der Rest war total verschwommen. Sie flog durch die Luft und taumelte auf den Boden. Undurchdringliches Dunkel legte sich über ihre Augen. Ein stechender Schmerz wie von einer pieksenden Nadel. Und schließlich ein unheimliches, schwereloses Gefühl der Betäubung, so wie damals, als

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