Die Entfuehrung
das FBI wenigstens ihr Telefon weiterhin abhören zu lassen, die Ermittlungen ernsthaft behindern.
Harley fuhr gemeinsam mit einer Agentin in einem nicht gekennzeichneten Bucar zu Tanyas Haus. Sie trugen keinerlei Insignien des FBI - lediglich eine Lebensmitteltüte und eine Kasserolle mit einem Eintopfgericht. Er entschuldigte sich bei seiner Mitarbeiterin dafür, dass er sie mit diesen Arbeiten womöglich auf sexistische Weise in die Pflicht genommen hatte, aber es war wichtig, Tanya klarzumachen, dass das FBI durchaus in der Lage war, auf völlig unverdächtige Weise in ihrem Haus aus- und einzugehen. Sie konnten die Rolle besorgter Freunde oder Nachbarn spielen, die eine trauernde Mutter trösten, indem sie ihr einfache Arbeiten wie Kochen und Einkaufen abnehmen, Dinge, die in Krisenzeiten längst nicht mehr so einfach sind. Harley klingelte an der Tür und wartete. »Gehen Sie, Mr. Abrams.« Es war Tanyas Stimme hinter der geschlossenen Tür.
Harley beugte sich vor. »Tanya, wenn irgendwer uns beobachtet, wird es erheblich schlimmer aussehen, wenn Sie uns jetzt wegschicken, als wenn Sie uns ganz einfach reinlassen. Begrüßen Sie uns doch wie Freunde und nicht wie das FBI.«
Eine halbe Minute verging. Die Kette rasselte, und die Tür wurde geöffnet. Wie gewünscht umarmte Tanya die Agentin, als wäre sie eine alte Freundin, und bat die beiden, hereinzukommen. Als sie die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, verschwand ihr freundlicher Gesichtsausdruck sofort wieder.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich das FBI nicht mehr in meinem Haus dulde.«
»Das habe ich mitbekommen«, sagte Harley. »Bitte, können wir uns zusammensetzen und darüber sprechen? Wenn Sie immer noch so denken, nachdem Sie meinen Standpunkt gehört haben, werden wir Ihren Wunsch respektieren.«
Tanya sah skeptisch aus, aber sie nahm ihre Mäntel und bat sie ins Esszimmer.
Harley und seine Mitarbeiterin setzten sich Tanya gegenüber an den Tisch. Er nahm ihren entschlossenen Gesichtsausdruck wahr und überlegte sich, wie er das Eis brechen konnte - irgend etwas, womit er ihre Verachtung mildern konnte. Er zwang sich ein Gähnen ab.
»Entschuldigen Sie, aber ich habe vergangene Nacht nicht sehr viel geschlafen. Ich habe gestern Abend spät noch mit der Justizministerin gesprochen.
»Tatsächlich«, höhnte Tanya. »Haben ihre Wahlkampfberater sich überlegt, wie sie die Kriegserklärung meines Vaters noch überbieten kann?«
»Darüber weiß ich nichts. Aber ich möchte, dass Sie wissen, dass das FBI mit der Rede Ihres Vaters gestern Abend nichts zu tun hat. Das war allein seine Entscheidung.«
»Hat Ms. Leahy Sie hierher geschickt, um mir das mitzuteilen?«
»Sie weiß nichts davon, dass ich hier bin. Tatsächlich habe ich mit ihr die halbe Nacht über die Entführung ihrer eigenen vier Monate alten Tochter vor acht Jahren gesprochen. Sie ist nie gefunden worden. Ebenso wenig sind die Entführer gefasst worden.«
Tanyas Zorn legte sich ein bisschen.
Harley senkte die Stimme. Er spürte die Schwachstelle. »Ich habe eine Theorie. Bisher ist es nur eine Theorie. Es gibt noch keine Beweise. Es könnte aber sein, dass die Entführer von Ms. Leahy's Tochter auch Kristen entführt haben. Natürlich wird es schwierig für das FBI, dieser Theorie nachzugehen, wenn Kristens Mutter nicht bereit ist, mit uns zu sprechen.«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Machen Sie mich doch nicht verrückt. Fragen Sie, was Sie wissen wollen.«
»In Ordnung. Eine Sache, die mich in Ms. Leahys Fall beschäftigt, ist die Art und Weise, wie das Baby entführt wurde. Der Täter brach ins Haus ein, während sie zu Hause war, und stieg mit dem Baby zum Fenster hinaus. Das ist für eine Entführung ziemlich ungewöhnlich. Meistens passiert es in der Öffentlichkeit - im Park, in Kaufhäusern. Oft wird das Kind überlistet oder weggelockt. Ein Fremder, der sich als Amtsperson aufspielt, ein Mann, der einem Jungen zwanzig Dollar anbietet dafür, dass er ihm hilft, seinen verschwundenen Hund zu finden. Irgendwas in der Art.
»Denken Sie, so was ist Kristen auch passiert?« Abrams zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Es gibt keine Zeugen. Wir wissen nur, dass die Entführer sich den Bus geschnappt und Reggie Miles getötet haben. Er ist nicht ertrunken. Laut Autopsie ist er einem schweren Schädeltrauma erlegen. Das passt zu einer gewaltsamen Entführung. Und wenn beide Entführungen mit Anwendung von Gewalt durchgeführt wurden, könnte das unsere Theorie,
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