Die Entfuehrung
auf der Sessellehne und wartete. Schließlich ging die Tür auf. Sie erhob sich, um die jüngere Frau zu begrüßen.
»Ich bin Allison«, sagte sie und streckte die Hand aus.
»Darauf wäre ich nie gekommen«, erwiderte Tanya.
Allison zuckte zurück. »Tut mir leid. Ich hatte nicht vor, Ihre Intelligenz zu beleidigen, indem ich etwas sage, was Sie längst wissen. Ich wollte gerne, dass wir uns mit Vornamen anreden, anstatt mit Ms. Leahy, oder noch schlimmer, Frau Justizministerin. Darf ich Tanya zu Ihnen sagen?«
»Klar.« Tanya nahm im Schaukelstuhl neben dem Bücherregal Platz. Allison setzte sich wieder in den karierten Polstersessel gegenüber dem Fenster. Die Vorhänge waren zugezogen zum Schutz gegen unternehmungslustige Fotografen, die sich vielleicht über Tanyas plötzlichen Besuch bei einer Freundin wunderten.
Allison betrachtete Tanyas gequälten Gesichtsausdruck. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen. Die Kummerfalten wirkten wie in Wachs gegossen. Allison hatte plötzlich Schuldgefühle wegen ihrer ersten Reaktion auf das Tonband mit dem Anruf der Entführer. Es stimmte, Tanya hatte eine größere Chance, ihre Tochter zurückzubekommen, als Allison sie gehabt hatte. Aber zu glauben, Tanya wäre die Glücklichere, war ein sinnloser Vergleich - als würde man sagen, die Sterbenden wären besser dran als die Toten, weil diese ihnen den Weg gewiesen hätten.
Allison eröffnete das Gespräch. »Ich möchte nicht, dass Sie mich als die Justizministerin betrachten. Sehen Sie in mir auch nicht die Präsidentschaftskandidatin. Ich bin aus keinem dieser Gründe hier.«
»Ich weiß. Mr. Abrams hat mir alles erklärt. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass es noch Hoffnung gibt. Als der Entführer heute Nachmittag aufgelegt hat, dachte ich, sie hätten das Verhandeln aufgegeben. Ich habe ja nicht im Traum daran gedacht, dass die Sie anrufen würden. Wahrscheinlich haben sie meinem Vater geglaubt, als er sagte, er würde niemals zahlen.« »Es klang ziemlich überzeugend.«
»Er hat es auch so gemeint. Sie wissen, welchen Ruf mein Vater im Pentagon hatte. Ein Hardliner gegenüber Terroristen. Keine Verhandlungen. Punkt.«
»Der Ruf ist eine Sache. Man sollte aber meinen, dass er vielleicht nachgibt, wenn das Leben seiner Enkelin auf dem Spiel steht.« »Sollte man meinen«, sagte sie mehr zu sich selbst. Allison fühlte, dass Tanya noch mehr sagen wollte. Sie wartete, aber Tanya schwieg. Allison sagte: »Wenn Sie wollen, dass wir die Entführer bezahlen, werden mein Mann und ich das Geld besorgen. Eine Million Dollar.«
»Wo ist der Haken?«
»Kein Haken, ganz bestimmt. Das einzige, worum ich Sie bitten möchte, ist, dass Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit wieder zwei FBI-Agenten in Ihr Haus lassen. Und dass Sie zulassen, dass das FBI Ihr Telefon abhört. Ich weiß, dass die Entführer Ihnen gesagt haben: kein FBI. Aber Entführer sagen das immer. Wenn sie nicht völlige Idioten sind, führen sie ihren Plan in der Annahme durch, dass Sie sich selbstverständlich an das FBI gewandt haben. Ich bitte Sie um nichts, das ich nicht selbst tun würde, wenn ich an Ihrer Stelle wäre.«
»Das ist alles, was ich machen soll? Ich soll Sie nicht dabei unterstützen, Präsidentin zu werden oder so was?«
Allison musste lächeln. »Nein. Wir werden es nicht öffentlich machen. Es braucht nie jemand zu erfahren, dass wir das Geld zur Verfügung gestellt haben. Nicht einmal Ihre Eltern.«
»Vor allem meine Eltern nicht.«
»Das ist völlig in Ordnung. Es ist allein Ihre Entscheidung. Und ich will weder Publicity noch politischen Gewinn daraus ziehen.«
Tanya zog misstrauisch die Augen zusammen. »Warum machen Sie es dann?«
»Um Kristen zu retten. Und...«
»Und was?«
Allison seufzte. »Für mich ist es wichtig, dass wir Kristen finden. Sie dürfen meine eigenen Gefühle hierbei nicht unterschätzen. Um ganz ehrlich zu sein, es ist gut möglich, dass bei dieser Entführung Dinge mitspielen, die Ihre Familie nicht verstehen kann.«
»Worauf wollen Sie hinaus?
»Wir vermuten eine Verbindung zwischen Kristens Entführung und der Entführung meiner eigenen Tochter vor acht Jahren.«
»Deshalb wollen Sie die Million Dollar zahlen. Sie hoffen, dass Sie Anhaltspunkte finden, die Sie zu Emily führen.«
»Da ist was Wahres dran. Aber das ist für mich nicht die Bedingung. Wir zahlen das Geld, Punkt. Wenn Kristen zurückkommt, dann war es das wert.«
»Also, ich weiß Ihre Großzügigkeit zu schätzen. Aber ich möchte
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