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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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ihr abgeben.
    Aus der Sicht ihres Vaters mußte es einen anderen Grund geben. Sie hatte nie den Eindruck gewonnen, daß Leo sich in sexueller Hinsicht für sie interessierte. Sie teilten lediglich eine Vorliebe fürs Theater und für gute Restaurants. Nichts weiter. Aus verletztem Stolz und einer Art kindlichem Trotz heraus beschloß sie, es dem Vater zu zeigen. Außerdem hatte sich plötzlich etwas verändert. Die Worte ihres Vaters geisterten ihr durch den Kopf: Er hat mit Frauen nichts anderes im Sinn, als sie zu fesseln und ihnen den Hintern zu versohlen … Neugier packte sie. Wie mochte sich das wohl anfühlen? Sie bekam eine Gänsehaut und fühlte ein Kribbeln in der Magengegend. Aus einem spontanen Impuls heraus preßte sie ihr Bein gegen das ihres Begleiters. Leo spürte den Druck und erwiderte ihn. Großer Gott, dachte er, während er vorgab, das Geschehen auf der Bühne zu beobachten. Sie geht zum Angriff über …
    Im intimen Dämmerlicht des Clubs wandte er sich zu ihr hin und sagte: »Du bist heute nicht wie sonst, Gloria. Ist irgend etwas nicht in Ordnung?«
    Sie stellte ihr Glas ab. Es war leer. Leo signalisierte dem Kellner, es nachzufüllen.
    »Du meinst, ich bin langweilig?« Ihr gekränkter Ton traf ihn völlig unvermutet.
    »Um Himmels willen, nein. Wie kommst du denn auf so etwas? Du langweilst mich nie. Du weißt, wie gerne ich mit dir zusammen bin. Hier, trink das … Was ist denn los? Sag es mir.«
    Im Unterschied zu King, der für seine Abstinenz weithin bekannt war, sprach Gloria dem Alkohol nur zu gerne zu. Sie trank einen großen Schluck Champagner und sagte: »Mein Vater hat mir verboten, mich weiter mit dir zu treffen.«
    Leo bemühte sich, gelassen zu wirken. »Oh, das tut mir leid. Hat er gesagt, weshalb?«
    Ihr Stolz erlaubte es ihr nicht, die Ansichten ihres Vaters zu wiederholen. Trotzig antwortete sie: »Nein, hat er nicht. Er gibt niemals Erklärungen ab. Er erwartet einfach, daß seine Anordnungen befolgt werden.«
    »Von dir auch?« fragte Leo. »Ich dachte, du wärst sein ein und alles.«
    »Oh, bin ich auch«, erwiderte sie hastig. »Er betet mich an. Genau wie ich ihn anbete. Er ist wunderbar.«
    »Kannst du ihn nicht dazu bewegen, seine Meinung zu ändern?« bat Leo sanft. »Es wäre schrecklich für mich, wenn ich dich nicht wiedersehen dürfte. Ich meine es ernst, Gloria.«
    »Ich möchte das auch nicht«, gestand sie. »Ich bin gern mit dir zusammen. Wir mögen die gleichen Dinge …«
    »Was hat er gegen mich?« wollte Leo wissen. »Hat er nichts gesagt?« Ihre blaßblauen Augen nahmen einen leicht glasigen Ausdruck an, während sie ihn musterte. Für einen Augenblick wurde ihm mulmig zumute. Er wußte, was dieser Blick zu bedeuten hatte. Er wartete und bewegte sein Knie, bis es ihres unter dem Tisch berührte. Sie zog es nicht weg.
    »Er sagt, daß du ein Sadomasochist bist«, flüsterte sie. Leo beschloß, alles auf eine Karte zu setzen.
    »Und wenn dem so wäre«, erwiderte er mit ebenfalls gedämpfter Stimme, »würde dich das stören? Ich würde nie irgend etwas in der Richtung von dir verlangen. Es sei denn, du fandest Gefallen an der Sache …«
    »Ich weiß nicht«, fiel Gloria ein. Sie starrte auf die Paare, die sich auf der spärlich beleuchteten Tanzfläche zu pulsierenden Discorhythmen bewegten. »Ich weiß nicht«, wiederholte sie. »Ich habe es bisher immer nur mit Frauen getan. Vielleicht würde es mir gefallen, aber sicher bin ich nicht.«
    »Setz dich nicht unter Druck«, meinte Leo. »Du mußt dich nicht entscheiden. Ich bin mit dem zufrieden, was wir jetzt haben – wenn du es auch bist …« Er legte seine Hand auf die ihre. Sie reagierte nicht, schob seine Hand aber auch nicht weg. »Kannst du deinen Vater nicht umstimmen?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Gloria. »Er läßt nicht mit sich diskutieren.«
    »Verstehe – mach, was man dir sagt«, bemerkte Leo. »Manche Eltern hören nie auf, einen wie ein Kind zu behandeln, nicht wahr? Mein Vater war genauso. Selbst nachdem ich schon im Beruf war, meinte er immer noch, mir überall reinreden zu müssen.« Er lächelte amüsiert über derartige elterliche Ticks. »Ich kann deinen Vater gut verstehen, Gloria. Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich mich wahrscheinlich ähnlich verhalten. Nur eines noch … wie sollst du später einmal eigenverantwortliche Geschäftsentscheidungen treffen, wenn dir das in deinem Privatleben verwehrt wird?«
    »Ich treffe meine eigenen Entscheidungen«,

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