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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Skeptisch und ein wenig verwundert musterte Janey ihre exzentrische Kusine. »Meine Autoschlüssel liegen unten im Flur auf dem Tisch. Paß auf, daß du nicht aus Versehen die von David einsteckst. Er ist sehr eigen, was seinen kostbaren neuen Volvo betrifft. Bis gleich also.«
    Während Julia nach unten ging, hörte sie, wie Janey ihrem Mann zurief: »David! Beeil dich bitte, Darling. Julia ist schon weg. Sie hat leider einen kleinen Pünktlichkeitstick. Muß an dem verrückten Leben liegen, das sie führt …«
    Und gerade als Julia das Haus verlassen wollte, drang gedämpft zu ihr durch: »Nein, sie hat nicht deinen Wagen genommen …«
    Es war eine angenehme, klare Nacht. Der wolkenlose Himmel war übersät mit Sternen. Vom Meer her wehte eine frische Brise, die Julia in ihrem dünnen Samtmantel erschauern ließ. Die Fahrt dauerte zwanzig Minuten, da die engen, kurvenreichen Straßen kein schnelles Tempo erlaubten.
    Das Haus stand auf einem felsigen Vorsprung mit Blick auf das Meer und den Strand. Es wurde von Scheinwerfern angestrahlt, so daß sich seine Konturen hell von der Dunkelheit abhoben. Als Julia in die Einfahrt bog, schalteten sich weitere Außenlampen automatisch ein.
    Sie stellte den Wagen ab und stieg aus. Die kalte, salzige Luft brannte auf ihrem Gesicht. Eilig lief sie zu der großen, weißgestrichenen Eingangstür. Sie drückte auf die Klingel. Da sich nichts rührte, drückte sie ein zweites Mal. Sie hatte kaum den Finger vom Messingknopf genommen, als die Tür geöffnet wurde. Eine hochgewachsene Gestalt hob sich schemenhaft vor dem hellen Flurlicht ab. »Mr. Watson?« erkundigte sie sich schnell.
    »Ja, der bin ich. Und Sie müssen Julia Hamilton sein, Davids und Janeys Kusine. Kommen Sie doch bitte herein, Sie sind ja ganz durchfroren. Es ist ziemlich windig draußen, nicht wahr?« Er ging zur Seite und ließ sie eintreten.
    »Janey und David kommen nach«, erklärte Julia. »Ich hoffe, es ist Ihnen recht, daß ich die Vorhut bilde. Bin ich etwa die erste?«
    Er lächelte sie an und streckte seine Hand aus. »Ja, Sie sind die erste. Was mich sehr freut. So habe ich Sie wenigstens ein wenig für mich – bevor alle anderen eintreffen. Darf ich Ihnen Ihren Mantel abnehmen? Wissen Sie, Miss Hamilton, ich habe Sie sofort anhand Ihres Fotos im Herald erkannt. Aber so leibhaftig gefallen Sie mir noch viel besser.« Er nahm behutsam ihren Arm und geleitete sie durch den Eingangsbereich zu einer Treppe, deren wenige Stufen sie emporstiegen. In dem Haus war es angenehm warm.
    »Was für ein wunderschöner Raum.« Julia sah sich überwältigt um. »Und diese Aussicht!« Sie ging zu der Glasfront, die fast eine ganze Wand in dem Zimmer einnahm. Er stellte sich neben sie. Das Licht der Außenlampen illuminierte Teile des Kliffs. Weiter unten waren vereinzelte Häuser zu erkennen, die sich wie eine Lichterkette den Strand entlangzogen. Und draußen in der Ferne tastete der Lichtkegel des Leuchtturms den nachtschwarzen Himmel ab.
    Lächelnd beobachtete Watson Julias Ergriffenheit. Er war ein gutaussehender Mann mit tiefblauen Augen, dichtem grauem Haar und einem gepflegten Schnurrbart, der noch ein wenig an den ehemaligen Soldaten erinnerte. Er hielt sich gerade und aufrecht und hatte sich die Figur eines wesentlich jüngeren Mannes bewahrt. »Am frühen Abend ist die Aussicht noch viel beeindruckender«, bemerkte er. »Die Sonnenuntergänge sind einfach unglaublich. Alles ist in blutrotes Licht getaucht, Himmel und Wasser scheinen wie von einem Flammenmeer überzogen … Schade, daß es schon so dunkel ist, aber schön ist es trotzdem, nicht wahr? Dort unten liegt St. Breiades mit dem Cour Rouge Hotel. Früher ein idyllisches Plätzchen, heute überlaufen von Touristen. Leider. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten? Gin, Whiskey, Wodka oder Weißwein?«
    »Wodka«, erwiderte sie. »Mit Tonic und Eis, bitte.«
    Er servierte ihr das Gewünschte und goß sich selbst einen Whiskey ein. »Ich hoffe, es ist Ihnen nicht unangenehm, daß ich hier auf die Minute genau erschienen bin. Die guten Petersons halten mich bestimmt für verrückt, aber sie waren nicht einmal annähernd fertig. Außerdem kann ich Unpünktlichkeit nicht ausstehen.«
    »Ich finde das wunderbar«, sagte Richard Watson. »Und ziemlich ungewöhnlich, nicht wahr? Gerade die Damenwelt ist doch bekannt dafür, daß sie sich eigentlich immer verspätet. Meine verstorbene Frau hat es jedenfalls nie geschafft, pünktlich zu sein. Was für eine

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