Die Entlarvung
wunderschöne Kombination Sie da tragen. Sie wissen gar nicht, was für eine Freude es für mich ist, Sie heute hier zu haben, Miss Hamilton. Darf ich Sie Julia nennen?«
»Ich wollte es gerade vorschlagen«, entgegnete Julia. Sein Charme nahm sie ganz und gar gefangen. Was für ein Herzensbrecher er noch vor ein paar Jahren gewesen sein mußte.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Richard Watson entschuldigte sich und verließ den Raum.
Julia sah erneut aus dem Fenster. Er hatte recht. Bei Tageslicht würde das Ganze noch besser wirken. Am schönsten war es sicher während der Morgen- oder Abenddämmerung. Leider nicht für sie, da sie bald wieder abreisen würde.
Ein Ehepaar mittleren Alters betrat den Raum, geführt von ihrem Gastgeber.
»Julia Hamilton, Bob und Fiona Thomas«, stellte Watson vor. Der Mann hatte einen festen Händedruck und eine gleichermaßen kräftige Stimme. »Sie also sind Janeys und Davids berühmte Kusine. Wir haben schon so viel von Ihnen gehört, nicht wahr, Fi?« Er lachte herzhaft.
Seine Frau war klein, hager und sprach mit sehr leiser Stimme. »Ja, das haben wir. Wo sind die beiden?« Sie sah sich suchend um.
»Ich bin etwas früher losgefahren«, erklärte Julia. Sie bemerkte, daß die Frau mit prüfenden Blicken ihr Aussehen und ihre Kleidung musterte.
Zufrieden lächelnd sagte Fiona dann: »David ist wahrscheinlich im Krankenhaus aufgehalten worden – er arbeitet so hart. Janey und er haben seit Tagen nur von Ihrem Besuch gesprochen. Sie sind in aller Munde – eine richtige Berühmtheit.«
Schmächtige Gestalt, dünne Stimme und eine ziemliche Giftspritze, entschied Julia. Es gab nur eine Art, damit umzugehen. Sie lächelte ihr süßlich zu und kehrte ihr dann den Rücken zu, um sich mit dem Ehemann zu unterhalten.
»Ich bin zum ersten Mal auf Jersey«, erzählte sie. »Eine bezaubernde Insel. Ich habe mir fest vorgenommen, im Frühling wiederzukommen.«
Er strahlte sie an. »Das will ich hoffen. Sie müssen uns dann unbedingt einen Besuch abstatten. Dieser Abend heute ist speziell Ihnen gewidmet, wissen Sie? Dick wollte eigentlich nur Bridge mit uns spielen …«
»Habe ich es nicht gesagt«, murmelte seine Frau. »Eine Berühmtheit, ohne jemals auf Jersey gewesen zu sein … Tja, Janey redet sehr gern. Sie hat eine Stimme, die man noch aus einer Meile Entfernung wunderbar verstehen kann.«
»Was man von dir nicht gerade sagen kann, stimmt's Fi? Ich verstehe oft nur die Hälfte von dem, was sie sagt.« Bob Thomas brach in schallendes Gelächter aus. Julia lachte ebenfalls und wandte sich dann an Fiona: »Eines noch über Janey. Sie redet immer nur Gutes über andere Leute, insofern ist es nicht schlimm, wenn man sie weithin hören kann.«
Vor dem Essen wurden Aperitifs gereicht. Watson war ein großzügiger Gastgeber, der wußte, wie man eine Party in Schwung brachte. Schon nach kurzer Zeit waren alle Gäste in angeregte Gespräche vertieft, in die auch Julia als einziger Neuling in dem Kreis einbezogen wurde. Selbst der bissigen Fiona Thomas schien ihre wenig schmeichelhafte Bemerkung leid zu tun. »Sie haben recht mit Janey«, flüsterte sie. »Sie ist zu jedem immer sehr freundlich. Ich wollte nichts gegen ihre Stimme sagen. Es ist nur, daß ich auch zu Hause immer überschrien werde und oft das Gefühl habe, daß mir niemand zuhört.«
Julia spürte, wie ihre Abneigung gegen die Frau nachließ. »Ich hoffe, daß das nicht der Fall ist«, entgegnete sie.
Richard Watson trat heran und nahm Julia zur Seite. »Fiona ärgert Sie hoffentlich nicht. Sie kann manchmal ziemlich gehässig sein, hat es aber auch nicht leicht gehabt. Ben ist ein ganz schöner Casanova gewesen und hat ihr einiges zugemutet. Ah, das Essen ist fertig. Maria hat mir eben ein Zeichen gegeben. Was würde ich ohne sie anfangen? Die Portugiesen sind großartige Menschen. Darf ich Ihnen meinen Arm anbieten?«
Sie gingen in das Eßzimmer, das ebenfalls über eine breite Glasfront verfügte und über das Kliff hinauszureichen schien. Watson setzte Julia an seine rechte Seite. Der Tisch war mit Silber und Kerzen elegant hergerichtet. Das Essen hätte aus einem der feinsten Restaurants in London stammen können, so hervorragend war es zubereitet. Julia begann den Abend zu genießen. Die Atmosphäre war locker und entspannt – verführerisch. Sie mußte sich energisch daran erinnern, daß sie nicht zu ihrem Vergnügen hier war. Sie befand sich auf einer äußerst wichtigen Mission, die für
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