Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
Vom Netzwerk:
Hausherr.
    »Herzlichen Dank für die gelungene Party«, sagte sie. »Und Ihr Buch hat mir wirklich gut gefallen.«
    »Das freut mich zu hören.« Er lächelte, doch seine Augen blickten mißtrauisch.
    Julia ließ nicht locker. »Diesen erstaunlichen Vorfall haben Sie allerdings gar nicht erwähnt …«
    »Vielleicht, weil er auf keinen der Beteiligten ein besonders gutes Licht wirft«, bemerkte er kühl. »Und Phillips war damals noch sehr lebendig. Ich bin kein Journalist, verstehen Sie. Ich wollte niemandem Schaden zufügen. Ich habe mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen. Hoffentlich kommen Sie bald wieder einmal nach Jersey.«
    Sie gab ihm die Hand. »Das hoffe ich auch. Und nochmals vielen Dank.«
    Am nächsten Morgen um halb elf rief Ben wie vereinbart an. Sie hatte eigentlich noch zwei Tage bei ihren Verwandten bleiben wollen, jetzt aber mußte sie so schnell wie möglich zurück nach London. Sie ging in die Küche und sagte zu Janey: »Das Büro hat angerufen. Leider muß ich heute noch abreisen. Es tut mir wirklich leid – ich hatte so eine schöne Zeit bei euch.«
    »O nein – sag, daß es nicht wahr ist«, rief Janey aus. »Ich wollte morgen eine große Party für dich geben, mit all unseren Freunden. Es sollte eine Überraschung werden. O nein …«, klagte sie erneut. »David wird bitter enttäuscht sein, daß er dich nur so kurz gesehen hat.« Als sie jedoch Julias betretene Miene bemerkte, lenkte sie sofort ein. »Ach, hör nicht auf mich. Ich denke wieder mal nur an mich. Natürlich mußt du abreisen. Tut mit leid, daß ich dir das Herz schwer gemacht habe. Wenn du im Frühling wiederkommst, holen wir alles Versäumte nach. Und du verrätst deinem Büro dann nicht, wohin du fährst, in Ordnung?«
    »Janey«, sagte Julia und legte die Arme um sie, »du bist so lieb, daß du mir dieses ganze Hin und Her nicht übelnimmst. Im Frühling komme ich ganz bestimmt wieder, und vorher besucht ihr mich in London. Dann gehen wir ganz groß aus – du, David, meine Eltern, Ben und ich. Was hältst du davon? Jetzt muß ich aber beim Flughafen anrufen. Es tut mir sehr leid.«
    Sie bedauerte es wirklich. Und doch mußte sie zugeben, daß sie – hätte sie Flügel besessen – am liebsten sofort losgeflogen wäre, nach Hause in Bens Arme.

Kapitel 9
    »Kommen Sie«, sagte die Polizistin. »Erzählen Sie mir, was passiert ist. Wer hat das Mädchen so zugerichtet?«
    Die junge Frau vergrub das Gesicht in ihren Händen. Sie schluchzte. Mandy Kent arbeitete seit zehn Jahren bei der Polizei. Sie war an Gewalt und an die brutalen Auswüchse häuslicher Streitereien gewöhnt. Sie hatte gelernt, ihre Gefühle aus dem Spiel zu lassen. Emotionale Distanz war sehr wichtig, wollte sie in ihrem Job bestehen. »Wie haben Sie sie in diesem Zustand in ein Taxi bekommen? Sie haben sich nicht getraut, einen Krankenwagen zu rufen, nicht wahr?«
    Die meisten mißhandelten Frauen weigerten sich, Anzeige zu erstatten. Auf diese Weise kamen die gewalttätigen Schläger immer wieder ungeschoren davon. Die schwerverletzte Prostituierte würde sicherlich keine Ausnahme darstellen.
    Mandy hatte selten eine Frau gesehen, die so brutal zusammengeschlagen worden war wie Tinas Freundin Tracey, die jetzt bewußtlos auf der Krankenstation lag. Mandy kannte beide Frauen. Sie hatte eine Zeitlang bei der Sitte gearbeitet und war mit dem Rotlichtmilieu der Stadt bestens vertraut.
    Tina und ihre Freundin hatte sie jedoch schon seit längerem nicht mehr auf der Straße gesehen. Ruhig setzte sie ihr Verhör fort.
    »Sie hat Brüche an den Rippen, am Kiefer, am rechten Arm … sie hat versucht, sich zu verteidigen, nicht wahr? Und der Arzt meint, daß die Schläge auf den Kopf möglicherweise eine Schädelfraktur verursacht haben. Vielleicht muß Tracey sterben. Wer hat das getan, Tina?«
    Langsam tastete Tina ihr eigenes Gesicht ab. Es war verquollen und voller blauer Flecken.
    »Sie darf nicht sterben … sie darf nicht …«, stammelte sie. »Wir kennen uns schon seit unserer Kindheit. Wir sind im selben Heim aufgewachsen.«
    »Wenn ihr Schädel gebrochen ist«, warf Mandy nüchtern ein, »kann niemand dafür garantieren, daß sie überlebt. Und das nächste Mal sind Sie vielleicht an der Reihe.«
    Sie hielt inne und wartete ab. Instinktiv spürte sie, daß mit dem weinenden Mädchen eine Veränderung vor sich ging. Kaum hörbar flüsterte es schließlich: »Joe Patrick. Joe Patrick hat Tracey so zusammengeschlagen.«
    Mandy Kent stand auf.

Weitere Kostenlose Bücher