Die Entlarvung
Zustand ist trotzdem äußerst kritisch. Wir haben den Kiefer einigermaßen zusammengeflickt. Ohne weitere Gesichtsoperationen wird es jedoch nicht abgehen. Erfolg bei der Freundin gehabt?«
»Sie hat mir gesagt, wer es war, aber sie ist nicht bereit, ihre Aussage zu unterschreiben – geschweige denn, vor Gericht zu erscheinen.«
»Hat sie einen Grund genannt? Was hat das arme Mädchen verbrochen, um so furchtbar bestraft zu werden?«
»Sie hat sich das Armband des anderen Mädchens ausgeliehen. Können Sie sich das vorstellen? Ich denke, der Kerl hat nur nach einem Vorwand gesucht, um auf sie eindreschen zu können. Den Typ Mann kenne ich nur zu gut. Wie dem auch sei, ich würde gern einen Blick auf ihre Habseligkeiten werfen. Ich muß mir ja einmal ansehen, wofür sie fast totgeschlagen worden wäre.«
»Fragen Sie die Schwester«, riet der Arzt. »Ihr Zimmer ist dort drüben. Sie wird die Sachen aufbewahrt haben, bis sie registriert und weggeschlossen werden. Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, erwiderte Mandy.
»Ja, natürlich«, sagte die Schwester, die mit Fällen wie diesem genausooft konfrontiert zu werden schien wie die Polizistin. »Ich habe alles hier in meiner Schreibtischschublade. Bei manchen dieser Leute muß man sehr vorsichtig sein. Die kommen hinterher an und behaupten, etwas sei gestohlen worden. Mal sehen, was wir haben.«
Viel war es nicht. Eine Kette mit einem Amulett, drei unechte Ringe, an denen getrocknetes Blut klebte, und ein schmales Armband, dessen winzige eingefaßte Steine im Licht der Lampe aufblitzten.
Mandy Kent hob es auf. Die Schwester bemerkte: »Eines von dieser Sorte habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen.«
»Oh, was für eine Sorte?«
»Dies ist ein sogenanntes DEAREST-Armband, ein Schmuck, den man nur seiner Liebsten überreicht«, erklärte die Schwester. »Mein Vater hat meiner Mutter ein ähnliches Stück zur Silberhochzeit geschenkt. Es war allerdings nicht ganz so hübsch. Dieses hier hat besonders schöne Steine, wenn sie auch klein sind. Ihre Anfangsbuchstaben ergeben das Wort DEAREST, Liebstes also. Zuerst kommt ein Diamant, dann ein beliebiger Edelstein, ein Amethyst, ein Rubin, ein Edelstein, ein Saphir … und zum Schluß … ein Turmalin. Diese Armbänder waren früher einmal sehr beliebt. Und hier haben wir wirklich ein besonders schönes Exemplar vor uns.« Sie nahm Mandy den Schmuck aus der Hand und betrachtete ihn prüfend. »Ich müßte eigentlich das Armband meiner Mutter haben. Sie ist letztes Jahr gestorben.«
»Das tut mir leid«, sagte Mandy Kent. »Sicher besitzt das Armband einigen Wert. Ich sollte einmal im Computer nachsehen, ob es irgendwo gestohlen worden ist. Vielleicht komme ich so doch noch an den Burschen heran. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, daß es seiner Mutter nicht gehört hat. Ich lasse Ihnen eine Quittung hier und nehme es mit, in Ordnung?«
»Ich hoffe nur, daß Sie etwas finden, womit Sie den Mistkerl vor Gericht stellen können«, sagte die Schwester.
Mandy Kent sah sie an. Sie steckte den Umschlag, in dem sich das Armband befand, in die Innentasche ihrer Jacke. Dann setzte sie ihren Hut auf und erwiderte: »Das hoffe ich auch.«
Ben Harris wartete am Flughafen. Sie sah ihn vor der Ankunftshalle stehen und winkte ihm zu. Er eilte herbei und nahm sie, obwohl er in der Öffentlichkeit immer recht zurückhaltend war, für einen Augenblick fest in die Arme.
»Gut, daß du wieder da bist, Liebling«, murmelte er. »Die Tage sind mir so lang geworden.«
»Mir auch«, versicherte Julia. »Ich habe dich jede Minute vermißt. Aber dafür«, sie befreite sich aus der Umarmung und sah ihn triumphierend an, »sind wir jetzt am Ziel. Western haben wir in der Hand, und King bringen wir als Kriegsverbrecher vor Gericht.«
Arm in Arm gingen sie zum Parkplatz, wo Ben seinen Wagen abgestellt hatte. Sie hatten gerade den Zubringer nach London erreicht, als Joe Patrick einen Anruf der Detektei erhielt. Der Mann am Telefon berichtete, daß Julia aus Jersey zurückgekehrt sei und von jetzt an wieder beschattet würde.
Erleichtert lehnte Joe sich in seinem Sessel zurück. Nun konnte er Harold King endlich gegenübertreten. Er mußte ja nicht erwähnen, daß die Detektive Julia auf der Insel verloren hatten. Er hatte sich unwohl in seiner Haut gefühlt, als er nach Hause gekommen war und gesehen hatte, daß seine zwei Vögel ausgeflogen waren. Sein schöner Teppich war mit Blut und Erbrochenem beschmiert – wer sollte
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