Die Entlarvung
ihr Büro, wies die Sekretärin an, keine Anrufe durchzustellen, und versuchte sich zu beruhigen. Sie mußte alles noch einmal genau durchdenken. Sie war sich so sicher gewesen, das Rätsel gelöst zu haben. Harold King hatte die britischen Soldaten getötet, weil er sich rächen wollte. Rächen für Westerns Absicht, ihn mit dem Bajonett zu erstechen. Western war auf mysteriöse Weise entkommen, verletzt, aber lebend. Er hatte den Vorfall verschwiegen, damit sein eigenes Benehmen nicht ans Licht kam. King hatte ihn dann aber doch wieder aufgespürt und erpreßt … Sie blickte abrupt auf. Nein. Nein, das konnte nicht sein. Hier stimmte etwas nicht. Sie stand auf und begann unruhig in ihrem Büro auf und ab zu gehen. Western würde sich nicht von einem Mann drohen lassen, den er selbst beim Mord an den britischen Soldaten beobachtet hatte. Nach dem bisherigen Stand der Dinge konnte es sich eigentlich keiner der beiden Rivalen leisten, sich mit dem anderen anzulegen.
»O Gott«, rief sie laut aus. »Ben hatte recht … Ich habe tatsächlich etwas übersehen … Aber wo soll ich danach suchen? Wo fange ich an?«
»Lüg mich nicht an, Gloria. Versuch nicht, mich zu täuschen.«
Er schrie nicht, sondern sprach ganz ruhig. Gloria hatte dies so verwirrt, daß sie bei ihren Erklärungen ins Stolpern geraten war. »Du bist heute morgen um sechs nach Hause gekommen«, sagte King. »Ich war schon auf und habe dich gehört. Du bist hereingekommen und hast versucht, dich unbemerkt auf dein Zimmer zu schleichen. Du warst bei diesem Kerl, nicht wahr?« Er trat näher an Gloria heran. Instinktiv wich sie zurück. Er packte sie am Arm und drückte zu. Sie schrie auf.
»Nicht, Daddy. Du tust mir weh …«
»Sag es mir«, verlangte er und drückte noch stärker. »Hast du die Nacht mit Leo Derwent verbracht oder nicht?«
Sie brach vor Schmerzen in Tränen aus. »Doch … ja, ich war bei ihm.«
Er ließ sie los. »Du hast mit diesem elenden Wicht geschlafen?« fragte er, ohne die Stimme zu heben.
Gloria strich sich weinend über ihren Arm. »Was ist so schlimm daran? Du bist doch auch mit Frauen zu …« Noch ehe sie ihren Satz vollenden konnte, schlug er ihr hart ins Gesicht.
»Setz dich«, befahl er. Schluchzend sank sie auf ihr Bett. Reglos betrachtete er sie für einen Augenblick. Er liebte sie. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, an dem ihm wirklich etwas lag. Aber sie hatte ihn belogen und betrogen. Gloria hörte, wie er tief seufzte, und schaute vorsichtig zu ihm auf.
»Er ist der erste«, murmelte sie. »Mein erster Mann … Ich mag ihn. Er mag mich.«
King setzte sich neben sie auf das Bett. Sie zuckte zusammen, er aber legte die Arme um sie. »Weine nicht«, bat er. »Ich hätte dich nicht schlagen dürfen.«
Glorias Herz flog ihm entgegen. Kummer um ihn mischte sich in ihren Kummer um sich selbst. »Ich habe es verdient. Ich hätte nicht so mit dir reden sollen. Ich hätte dich nicht belügen sollen.«
»Er benutzt dich«, stieß King hervor.
Sofort versteifte sie wieder. »Sag so etwas nicht! Ich will das nicht hören. Du denkst, daß ich häßlich bin, daß niemand ein Interesse an mir haben könnte … nur weil ich nicht so wie meine Mutter bin. Aber was bedeutet dir deine Frau, Daddy? Was siehst du in ihr? Viel Busen, kein Gehirn! So redest du über viele Frauen. Ich habe dich gehört … Leo mag mich wirklich, wir verstehen uns sehr gut.«
Sie wußte, daß ihr Vater sich irrte. Vielleicht zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben. Leo Derwent schätzte er falsch ein. Sie legte den Kopf auf die Schulter ihres Vaters und sagte mit sehr leiser Stimme: »Verdirb es mir nicht, Daddy. Du wirst immer an erster Stelle bei mir stehen, aber verdirb mir diese Freundschaft nicht. Bitte.«
King hielt sie schweigend in den Armen. Leo Derwent. Gloria begehrte ihn. Sie teilte seine sexuellen Neigungen … Er wollte nicht genauer darüber nachdenken. Allein die Vorstellung, was dieser Mann mit seiner Tochter anstellen mochte, ließ ihn erschauern.
»Du bist nicht häßlich, Liebling«, brachte er schließlich über die Lippen. »Du weißt, wie stolz ich auf dich bin. Wir machen alles gemeinsam. Bald fahren wir nach New York. Er ist einfach nicht gut genug für dich … Er ist ein Nichts. Zum Donnerwetter, Gloria, du bist meine Tochter. Du kannst jeden Mann haben, den du möchtest!«
»Du weißt, wie gerne ich mit dir nach New York fahre«, sagte sie. »Das weißt du doch, oder? Wie lange bleiben wir
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