Die Entlarvung
wie Joe Patrick leise die Tür hinter sich schloß.
Joes Detektive hatten sich von Julia Hamilton abhängen lassen, bevor sie nach Jersey geflogen war. Aber auf Inseln wie Jersey verbreiteten sich Neuigkeiten wie ein Lauffeuer. Während die Londoner Spürnasen ihre Zeit mit Hotels und Pensionen verschwendeten, wußte man überall auf der Insel schon nach wenigen Stunden, daß der bekannte Chirurg David Peterson eine berühmte Journalistin beherbergte. Und auch die Gäste, die an Richard Watsons Dinnerparty teilgenommen hatten, überschütteten ihre Freunde mit Geschichten über Julia Hamilton. Kings Kontaktmann war ein Reporter, der für einen Lokalsender auf Jersey arbeitete. Es gehörte zu seinem Beruf, immer über den neusten Klatsch informiert zu sein. Seit zehn Jahren hielt er auch für Harold King Augen und Ohren offen. Insbesondere achtete er auf einen ehemaligen ICI-Manager namens Richard Watson. Er hatte King von Julia Hamiltons Besuch bei Watson berichtet. King war auf Joe Patricks Lügen vorbereitet gewesen. Er hatte bereits gewußt, weshalb Julia Hamilton nach Jersey geflogen war. Sie hatte nach dem Mann gesucht, der einem achtzehnjährigen deutschen Soldaten das Leben gerettet hatte – draußen in der Wüste, vor fünfzig Jahren. Ein dummer Zufall mußte im Spiel gewesen sein, daß sie – wie er selbst – auf Watson gestoßen war. Sie hatte ihre Nachforschungen also nicht abgebrochen. Joe Patrick war absichtlich getäuscht worden. Und mit ihm auch Harold King.
Dieses Problem konnte man nicht einem billigen kleinen Killer wie Joe anvertrauen, einem Mann, der eine alte, alleinstehende Frau vergewaltigt und ermordet hatte. Dieser Fall erforderte Fingerspitzengefühl und äußerste Perfektion. Seine Gedanken kehrten zu Joe Patrick zurück. Die Iren waren ein verräterisches, rachsüchtiges Volk. Er konnte Patrick nicht über den Weg trauen. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, wie er immer so schön sagte. Patrick mußte beseitigt werden.
Um ihn würde er sich später kümmern. Zuerst mußte etwas gegen die rothaarige Hexe unternommen werden. Ende der Woche wurden er und Gloria in New York erwartet. Dort würde er die entsprechenden Maßnahmen in die Wege leiten.
Und danach kam Western an die Reihe. Er würde ihm den Todesstoß versetzen und damit eine Schuld begleichen, von der er angenommen hatte, daß sie längst beglichen war. Bis vor zehn Jahren.
Gloria rückte näher an ihn heran. Sie waren eingeschlafen, verschwitzt und erschöpft. Nachdem er wieder aufgewacht war, hatte er Gloria in die Küche geschickt, um Kaffee zu kochen. Sanftmütig hatte sie ihm gehorcht. Sie ließ sich gerne herumkommandieren. Ihn zu bedienen gehörte zu ihrem Vorspiel.
»Leo, was soll ich zu Hause nur sagen?« fragte sie jetzt etwas besorgt.
»Ich weiß nicht«, antwortete er. »Was hast du denn sonst gesagt, wenn du so lange ausgeblieben bist?«
»Ich war noch nie die ganze Nacht weg. Ich bin immer nach Hause gekommen.« Sie sah ihn über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg an. »Ich habe meinen Eltern nie von meinen Verhältnissen erzählt. Für sie war ich mit Freunden aus, mehr nicht.«
Er kniff sie in die Wange. »Mit Freundinnen«, neckte er sie. »Aber mit mir ist es besser, nicht wahr?«
»Das weißt du doch.« Sie ließ sich zurück auf die zerwühlten Kissen fallen. »Ich habe mich immer bei der Vorstellung geekelt, es mit einem Mann zu treiben. Aber mit dir ist es etwas anderes. Ich liebe es mit dir. Daddy würde mich umbringen …«
»Und Mummy?«
»Mummy wäre es egal«, erwiderte Gloria. »Sie möchte mich allzu gern loswerden, damit sie Daddy für sich allein haben kann. Sie wäre überglücklich, wenn ich heiraten würde. Was mir aber im Traum nicht einfällt«, fügte sie eilig hinzu.
Leo schwieg dazu. Eine Ehe. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Das ganze Geld, all die Macht, die ihm zur Verfügung stehen würde …
Manchmal nahm Gloria aus Spaß eine Kleinmädchenstimme an. »Möchtest du noch Kaffee? Oder kann ich sonst etwas für dich tun?«
»Ich will dich«, entgegnete Leo. »Komm her …«
»Liebes«, sagte Ben Harris. »Wir können King nichts beweisen.«
»Western kann es«, beharrte Julia. »Ich werde ihn damit konfrontieren.«
»Jetzt gleich?« fragte er.
»Jetzt gleich«, bestätigte sie. »Kommst du nicht mit, Ben? Ich verstehe nicht, weshalb du zögerst. Etwas mehr Enthusiasmus über meine Entdeckung hätte ich schon von dir erwartet.«
»Setz dich einen
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