Die Entlarvung
größten Zufriedenheit ausgeführt.« Mario klang schuldbewußt. Er hatte sofort zum Telefon gegriffen, nachdem er über den Fehlschlag unterrichtet worden war.
»So etwas kann passieren«, meinte King stoisch. »Ich verstehe das schon.«
»Ich nicht«, erwiderte Mario ungehalten. »Ich konnte es gar nicht glauben. Bis ich jemanden hingeschickt habe, der es bestätigt hat. Eine Katze hat ihn angegriffen. Er ist gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden … Ja, eine Blutvergiftung. Unglaublich, nicht wahr? Ich hasse diese Viecher …« Nach einer kurzen Pause fügte Mario hinzu: »Möchtest du, daß ich jemand anders mit der Sache beauftrage? Jemand, der die Angelegenheit endgültig regelt?«
»Nicht nötig«, wehrte King ab. »Die Sache hat sich selbst erledigt. Trotzdem, danke. Dein Experte geht jetzt natürlich leer aus.«
»Versteht sich«, entgegnete Mario. »Wir bezahlen für Ergebnisse, nicht für Fehlschläge. Seine Arztkosten muß er auch selbst tragen. Was macht die Familie? Ist bei euch auch schon das Weihnachtsfieber ausgebrochen? Bei uns ist das Haus voll. Wir haben die Schwiegermutter, meine Schwester mit ihren Kindern und meinen Onkel mit Anhang zu Besuch. Weihnachten ist nun mal ein Familienfest. Was habt ihr vor?«
»Wir fahren in die Schweiz, nach Gstaad. Nur Marilyn, Gloria und ich.«
Und Leo Derwent, fügte er im stillen hinzu. Gloria hatte ihm im Regent ein Zimmer reserviert. Wahrscheinlich zahlte sie auch dafür. Ein Mann in Leo Derwents Position konnte sich ein solches Hotel gar nicht leisten. Außerdem war das Regent über Weihnachten immer total ausgebucht. Allein hätte Derwent nicht einmal eine Dachkammer mieten können. Erst der Name King hatte ein freies Zimmer garantiert.
»Du läufst Ski?« erkundigte sich Mario. Er gab sich besondere Mühe, nett zu sein, weil ihm das Versagen des Killers peinlich war. Dabei kam es gar nicht mehr darauf an, ob Julia tot war oder nicht. Sie arbeitete nicht mehr für den Herald, nur das zählte. Über ihr Ausscheiden war in den Medien ausführlich berichtet worden. Die Artikel sprachen von einem Abschied in aller Freundlichkeit und von Westerns Bedauern, eine so talentierte Journalistin zu verlieren. Harold King wußte es besser. Western hatte Julia den Laufpaß gegeben – und nicht nur ihr, sondern Ben Harris gleich dazu. Denn Julia war nach Jersey geflogen und hatte dort eine äußerst unangenehme Geschichte ausgegraben, in der ein Soldat namens William Western die Hauptrolle spielte. Demgegenüber hatte sie über King anscheinend nichts herausgefunden.
Nach einer Weile beantwortete er Marios Frage: »Nein, von Skiern lasse ich die Finger. Früher war ich ein guter Läufer … bis ich den Unfall hatte. Ich kann es mir nicht leisten, mit einem gebrochenen Bein im Bett herumzuliegen.« Er lachte. »Mir geht es wie dir – ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Ich wünsche dir schöne Feiertage. Grüße an deine Familie.«
Er legte auf. Draußen war es kalt und regnerisch. Westerns ›Enthüllungen‹ würden in den nächsten Tagen erscheinen. Er sah ihnen unbesorgt entgegen. Was Julia Hamilton betraf, so würde sie zwar einen neuen Job finden, mit Sicherheit aber nicht über alte Geschichten berichten. Sobald er Western erledigt hatte, konnte er seinen Einfluß in der Medienwelt geltend machen. Er wollte dafür sorgen, daß Julia Hamilton von niemandem mehr eingestellt wurde. Sie würde sich aufs Bücherschreiben verlegen müssen … wenn sie Glück hatte und einen Verleger fand, der bereit war, sich mit Harold King anzulegen. Zufrieden lächelnd trat er ans Fenster. Die dichte Wolkendecke am Himmel ließ kaum Licht durch. Die Landschaft wirkte grau und trist mit den kahlen Bäumen und den Nebelschwaden, die von einem kleinen See unweit des Hauses aufstiegen. Er dachte an die Schweiz – den blütenweißen Schnee, die Sonne, den strahlendblauen Himmel, die gute Luft, die majestätischen Berge … all dies erinnerte ihn an seine Herkunft, an seine Wurzeln. Er hatte Deutschland nie wieder betreten. Die Schweiz stand für alles, was er sich an heimatlichen Gefühlen erlaubte. Jetzt werde aber nicht sentimental, schalt er sich innerlich. Du hast gar keine Heimat, vergiß das nicht. Nostalgie war etwas für alte Menschen. Er hatte noch Jahre vor sich. Er mußte an Gloria und ihre unsinnige Vernarrtheit in diesen Leo Derwent denken. Im Moment würde er nicht eingreifen. Derwent ließ sich nicht mit Geld kaufen. Ihn mußte man mit
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