Die Entlarvung
politischen Würden locken. Bald würde er, King, mächtig genug sein, um mit entsprechenden Ämtern dienen zu können. Unter der Bedingung natürlich, daß Leo Gloria aufgab. Sie würde darüber hinwegkommen und jemanden kennenlernen, der ihrer würdiger war als dieser Schleimlecker.
Er wandte sich vom Fenster ab. Die Aussicht deprimierte ihn. Dieses Jahr würden sie früher nach Gstaad abreisen, entschied er, einem Impuls folgend. Marilyn konnte sein Geld genausogut dort ausgeben. Sie mußte ihre Weihnachtseinkäufe ja nicht unbedingt in London erledigen.
»William«, sagte seine Frau, »du hast keine Chance.« Ihre Worte überraschten ihn. Sonst war sie es immer gewesen, die ihm Mut zugesprochen und ihn aufgerichtet hatte. Trotz des naßkalten Wetters waren sie zu einem Spaziergang aufgebrochen – zwei ältere Herrschaften, die – eingehüllt in schwere Tweedmäntel und dicke Schals – dem regnerischen Winter trotzten. Sie hatten die zwei Labradorhunde mitgenommen, die übermütig vorneweg liefen. Western verabscheute Hunde, aber sie gehörten zum Landleben einfach dazu. Evelyn hatte Schoßtierchen aus ihnen gemacht, so daß sie sich nicht einmal für die Jagd eigneten. Aber auch der Jagd ging Western nur nach, um seine Gäste zu beeindrucken, nicht etwa, weil er Spaß daran hatte.
»Ich will es wenigstens versuchen«, meinte er. »Ich habe viel Geld. Ich kann mich wehren.«
»King kämpft mit Waffen«, antwortete Evelyn Western, »gegen die man sich nicht wehren kann. Du hast keine Chance, Darling. Nicht ohne Julia Hamilton.«
»Mit Julia Hamilton habe ich erst recht keine«, versetzte er. »Du weißt, wie Harris mich nach dem Vorfall vor ihrer Wohnung unter Druck gesetzt hat. Ich mußte ihn mit beschönigenden Stellungnahmen und einer saftigen Abfindung besänftigen. Vielleicht war es ein Einbrecher, vielleicht auch nicht. Harris ist jedenfalls überzeugt, daß es sich um einen Berufskiller gehandelt hat. Wie bei Jean Adams. Es hat keinen Zweck, Evie. Ich wollte Harold Kings verbrecherische Natur aufdecken, um ihn aufzuhalten. Aber ich bin gescheitert. Deshalb bleibt mir jetzt nichts anderes übrig, als ihn offen zu bekämpfen. Mir ist wirklich kalt – ich denke, wir sollten umkehren.«
Sie wechselten kein weiteres Wort mehr miteinander, bis das Haus in Sicht kam.
»Sie irrt sich, nicht wahr, Billy?« brach Evelyn das Schweigen.
Die Frage traf ihn unvorbereitet. »Wovon sprichst du? Wer irrt sich worin?«
»Deine Kameraden sind nicht niedergeschossen worden. Sie sind im Gefecht gefallen, oder?«
Er blieb stehen und drehte sie zu sich herum. Ernsthaft sah er ihr ins Gesicht. »Ich habe dich nie angelogen, Evie. Nie.«
»Ich weiß«, erwiderte sie sanft. »Ich hätte nicht fragen dürfen. Entschuldige bitte.«
Er nahm ihren Arm und führte sie zum Haus. »Wir setzen uns jetzt vor den Kamin und trinken zusammen Tee. Heute abend lasse ich den Papierkram liegen, und wir machen es uns richtig gemütlich, nur du und ich.«
Hoffentlich hatte sie nicht bemerkt, daß er ihre Frage nicht beantwortet hatte.
»Wann fahren Sie los?« erkundigte sich Julia.
»Am Dienstag nach Weihnachten«, antwortete Leo. »Gloria möchte, daß ich zehn Tage bleibe. Sie lädt mich ein – ihr Weihnachtsgeschenk für mich.«
Er fand, daß Julia abgemagert und sehr blaß aussah.
»Die Idee ist ziemlich verrückt, finden Sie nicht?«
»Sie müssen nicht mitmachen«, erwiderte Julia. »Wenn Sie wollen, können Sie auch einfach nur mit der Tochter turteln und vergessen, daß King Sie ruinieren wollte.«
»Eine solche Gemeinheit vergesse ich nie.«
»Wie wäre es, wenn Sie sich jetzt revanchierten?«
Er musterte sie scharf.
»Ich habe Western überredet, die Geschichte über Sie nicht zu drucken«, erinnerte sie ihn. »Ich erwarte keine Dankbarkeit von Ihnen, Leo. Das wäre wahrscheinlich zuviel verlangt. Aber Sie haben jetzt die Gelegenheit, es King heimzuzahlen. Ich denke nicht, daß er die Beziehung zwischen Ihnen und Gloria auf Dauer zulassen wird; irgend etwas wird ihm dazu schon einfallen. Meine Idee ist gewagt, das gebe ich zu. Aber wenn alles klappt, ist King geliefert.«
»Und wenn nicht, haben wir auch nichts verloren«, fügte er hinzu.
Nein, gar nichts. Bis auf meinen Job, Bens Job und beinahe auch mein Leben, dachte sie erzürnt. Sie unterdrückte einen Kommentar und fragte lediglich: »Sind Sie dabei?«
Er fingerte an seiner Uhr herum. »Ja«, sagte er schließlich. »Versuchen kann man es ja. Wo
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