Die Entlarvung
erreiche ich Sie?«
»In etwa zwei Stunden fahre ich zu meinen Eltern. Wir verbringen dort die Weihnachtstage. Ich melde mich bei Ihnen im Hotel, sobald Sie in Gstaad angekommen sind.«
»Frohe Weihnachten«, wünschte er.
»Danke, Ihnen auch.«
Sie hatte den Wagen vor einer Parkuhr abgestellt. Eine Politesse hielt sich ganz in der Nähe auf. Sie wartete wohl darauf, einen Parksünder auf frischer Tat zu ertappen. Julia sah auf ihre Uhr. Sie, Ben und Lucy würden heute nachmittag nach Surrey aufbrechen. Die Katze kam natürlich auch mit.
Obwohl ihr gar nicht danach zumute war, hatte Julia alle notwendigen Weihnachtsvorbereitungen getroffen. Sie hatte Geschenke besorgt, sie hübsch verpackt und hinten im Kofferraum gestapelt. Die arme Lucy tat ihr leid. Das Mädchen begegnete ihr immer noch sehr schüchtern und zurückhaltend und hängte sich vielleicht eine Spur zu penetrant an den Vater. Ben hatte seiner Tochter erklärt, daß sie in einem Hotel wohnten, weil Julia in der gemeinsamen Wohnung beinahe überfallen worden wäre. Sehr oft erschien Lucy mit rot verweinten Augen am Frühstückstisch. Julia hatte versucht, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie zu trösten, war aber immer wieder auf einen heimlichen Widerstand gestoßen. Sie nahm an, daß Lucy ihren Kummer um das Baby noch nicht verarbeitet hatte, daß sie mehr Zeit benötigte, bevor sie sich einem neuen Menschen öffnen konnte. Aber trotz allen Verständnisses fühlte Julia sich gelegentlich zurückgesetzt, ja sogar ausgeschlossen.
Ben reagierte diplomatisch und schenkte beiden Frauen das gleiche Maß an Aufmerksamkeit und Zuwendung. Er bestand darauf, die ganze Hotelrechnung zu übernehmen. Als Julia anbot, ihren Anteil selbst zu zahlen, wies er ihr Ansinnen mit einer Entrüstung zurück, die sie überraschte. Während der Autofahrt jammerte Pussy unentwegt. Ihr gefiel es gar nicht, in dem engen Reisekorb eingeschlossen zu sein. Lucy erbarmte sich ihrer schließlich und nahm die Katze auf den Schoß.
»Was für ein schönes Fell sie hat«, rief sie hingerissen. »Mein Traum war immer ein junges Kätzchen …«
»Sollst du haben«, fiel Ben ein. »Gleich morgen besorge ich dir eines. Katzen sind anders als Hunde. Sie fühlen sich auch in Wohnungen wohl.«
Später, nachdem die Hamiltons sie herzlich aufgenommen und ihnen ein vorzügliches Abendessen serviert hatten, standen Ben und Julia in der Küche und erledigten den Abwasch. »Ich glaube, das Kätzchen ist eine gute Idee«, meinte Ben. »Lucy braucht etwas zum Liebhaben, die Arme. Ich bin dir sehr dankbar, Darling. Du hast dich so liebevoll um sie gekümmert. Sie hat dich sehr gern … Und deine Eltern sind so nett zu uns.« Er nahm Julia in die Arme und küßte sie. »Wenn du wüßtest, wie sehr ich dich liebe, J. Ich möchte ganz von vorne mit dir anfangen. Wie froh ich bin, daß wir diese leidigen Nachforschungen hinter uns gelassen haben. Hier, im Kreise deiner Familie, verstehe ich erst, worauf es im Leben ankommt. Warum gehst du nicht zu ihnen und siehst mit ihnen fern? Ich werde mit dem Rest Geschirr schon fertig.«
»Ich bleibe lieber bei dir«, entgegnete Julia. »Darling, das Geschirrtuch hängt im Spülwasser. Komm, laß mich das machen. Ich liebe dich auch, aber hausfraulich begabt bist du nicht gerade.«
»Was nicht ist, kann noch werden«, wandte er ein. »Der neue Ben Harris. Würde ich dir nicht als progressiver Hausmann gefallen?«
Sie lachte. »Nein, das herkömmliche Modell gefallt mir besser. Rauh, zäh, widerborstig – und der beste Redakteur der Welt.«
In dieser Nacht liebte Ben sie besonders intensiv. Als sie sich erschöpft in den Armen lagen, richtete er sich plötzlich auf und fragte: »Würdest du meine Frau werden, J.?«
Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Du möchtest heiraten? Wir können doch auch so zusammenleben.«
»Ich weiß«, erwiderte er. »Aber wenigstens würdest du dich dann nicht mehr mit Felix verabreden. Ich war furchtbar eifersüchtig, weißt du? Obwohl mir klar war, daß überhaupt nichts zwischen euch ist … Jedenfalls ist mir an jenem Abend bewußt geworden, daß ich mich ganz zu dir bekennen möchte, daß es mir wirklich ernst ist mit dir. Ich bin bereit, es noch einmal mit der Ehe zu versuchen. Was meinst du?«
Julia sagte nichts. Statt dessen drückte sie ihn fester an sich. Ben hatte sich den falschen Zeitpunkt ausgesucht. Bei dem, was sie vorhatte, konnte sie ihm unmöglich eine Antwort auf seine Frage geben. In zwei Tagen würden sie
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