Die Entlarvung
sie auf ihn kaum noch eine Wirkung aus. Sie erregte ihn nicht mehr. Für ihn war sie eine Art Dekorationsstück, weiter nichts.
»Du siehst großartig aus«, erwiderte er höflich. »Übrigens, diese Laus Leo hat mich für heute abend zu sich eingeladen.«
»Oh?« Marilyn wurde hellhörig. Sie wußte, wie sehr ihr Mann Glorias Liebhaber verabscheute. Daß Gloria und Leo ein Verhältnis miteinander hatten, war nicht zu übersehen. Ihre Tochter verschlang diesen Kerl geradezu mit den Augen, wenn sie in seiner Nähe war. Marilyn fühlte sich durch Glorias unschickliches Benehmen mehr als peinlich berührt. Leo dagegen verhielt sich sehr clever. Er war höflich zu King, charmant zu ihr und aufmerksam zu Gloria. Marilyn war im allgemeinen nicht der geistig rege Typ. Sie war im Leben auch ohne mentale Anstrengungen vorangekommen. Aber sie besaß eine recht gute Menschenkenntnis. Sie spürte, daß Leo Derwent ein Spiel mit ihnen spielte, daß er irgend etwas vorhatte. Und ihr Mann, Harold King, ahnte dies auch.
»Hat er uns nicht beide eingeladen? Das überrascht mich. Wir sind sehr gastfreundlich zu ihm gewesen. Es wird Zeit, daß er sich revanchiert.«
Sie setzte sich auf einen Stuhl, schlug ihre schlanken Beine übereinander und zappelte nervös mit ihrem Fuß hin und her. Eine Angewohnheit, die ihn zur Weißglut trieb.
»Um Himmels willen, laß das«, fuhr er sie an. »Er hat ausdrücklich nur nach mir verlangt. Zuerst hat er mit Gloria gesprochen.« Er runzelte die Stirn. »Sie hat mir den ganzen Vormittag in den Ohren gelegen, daß ich hingehen soll.«
»Und du hast schließlich nachgegeben, habe ich recht?« folgerte Marilyn. »Du kannst ihr ja nie etwas abschlagen. Wie es scheint, ist sie völlig verrückt nach diesem Leo.« Sie konnte es nicht lassen, ein wenig zu sticheln.
»Sie ist verblendet und unerfahren, das ist alles.« Er sah jetzt richtig wütend aus. »Derwent ist ihr erster Mann … was erwartest du also?«
»Aber was hat er gesagt? Wieso will er dich treffen?«
»Angeblich hat er etwas Wichtiges mit mir zu besprechen. Ich habe vorgeschlagen, daß er hierher kommt, aber davon wollte er nichts wissen. Und dann hat Gloria mit ihrem Gebettele angefangen. ›Ach bitte, Daddy. Er möchte dich sprechen. Bitte, bitte.‹ Ich konnte es irgendwann nicht mehr hören. Also habe ich mich bereit erklärt, ins Hotel zu kommen. Aber wehe, wenn er es wagen sollte, um Gloria anzuhalten. Dann werde ich dem Bürschchen etwas erzählen.«
Marilyn musterte King eingehend. Er war eifersüchtig auf Leo Derwent. Die Vorstellung, daß seine Tochter mit dem Politiker ins Bett ging, machte ihn ganz krank. Marilyn dagegen verstand nicht, was dieser Mann an Gloria finden mochte. Sie war so unförmig, so häßlich, so gar nicht weiblich. Und wie sie Derwent anhimmelte … sie machte sich direkt lächerlich. Wenn ihr Mann nur recht hätte und die beiden heiraten würden … Sie wäre so froh, Gloria endlich aus dem Haus zu haben. »Spring nicht zu hart mit ihm um«, ermahnte sie ihren Mann. »Es wäre Gloria gegenüber unfair, wenn du ihn vergraulen würdest. Sie würde es dir wahrscheinlich nie verzeihen.«
King warf seiner Frau einen verächtlichen Blick zu. Er durchschaute sie und wußte, daß es keine mütterlichen Anwandlungen waren, die sie so plötzlich Partei für Gloria ergreifen ließen.
»Für wie dumm hältst du mich? Ich weiß selbst, daß ich behutsam vorgehen muß. Ich werde ihm ein Angebot machen, zu dem er nicht nein sagen kann. Dieser Mensch ist käuflich, warte es nur ab.«
»Ich gehe und sage Frieda Bescheid, daß sie das Essen auftragen kann«, sagte Marilyn. Als sie außer Hörweite war, seufzte sie tief. Wie es schien, hatte sie wieder einmal umsonst gehofft.
»Ich verstehe nicht«, sagte Hugh Hamilton. »Was soll das heißen – sie ist weg?«
Julias Mutter brach in Tranen aus. Ben war mit dem Brief heruntergekommen und hielt ihn – immer noch bebend vor Zorn – unter Hughs Nase. »Es soll heißen, daß Sie sie heute nicht zum Abendessen erwarten brauchen. Sie ist nämlich in der Schweiz.«
Wut und Schmerz wechselten sich in ihm ab. Nach Höflichkeitsfloskeln war ihm im Moment nicht zumute. Julia hatte ihn bewußt betrogen und getäuscht. Sie hatte diesen Schritt lange geplant und sich in aller Heimlichkeit davongeschlichen. Was sie in dem Brief schrieb, interessierte ihn nicht. Sie behauptete, daß sie ihn liebte, und versuchte, sich zu rechtfertigen. Aber von ihren fadenscheinigen
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