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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Sie wollten die Blumen vor Ihrer Tür abstellen. Ich hätte sie für Sie entgegennehmen sollen. Sie sind jetzt bestimmt ganz vertrocknet.«
    »Wahrscheinlich«, meinte Julia. »Trotzdem vielen Dank.«
    Vor ihrer Wohnung war von Blumen nichts zu sehen. Sie fand auch keine Karte vor, auf der die Nichtauslieferung der Sendung vermerkt worden wäre. Sie ging ihre Post durch, die jeden Morgen von dem Hausmeister entgegengenommen und auf die Briefkästen verteilt wurde. Drei Werbebroschüren und eine Rechnung. Blumen von Felix? Sie mußte den Verstand verloren haben, daß sie an so etwas überhaupt gedacht hatte. Die Nachbarin von oben hatte sich wahrscheinlich geirrt. Oder die Blumen waren gar nicht für sie bestimmt gewesen, und die Männer hatten sie wieder mitgenommen. Damit ließ sie die Angelegenheit auf sich beruhen. Sie beschloß, ein Bad zu nehmen. Während sie in der Wanne lag, dachte sie an Ben. Sie freute sich darauf, ihn am Abend noch zu sehen. Vergiß das Kochen. Sie lächelte. Was für ein Glück, endlich einmal kein Chauvinist.
    Er blieb nicht über Nacht. Sie hatten in einer nahegelegenen Pizzeria etwas gegessen, dann hatte er bei ihr noch einen Kaffee getrunken.
    »Du mußt nicht gehen«, protestierte Julia.
    »Doch, ich muß.« Er legte seine Arme um sie. »Du bist völlig erschöpft. Frag mich morgen noch einmal. Außerdem muß ich zu Hause meine Katze füttern.«
    »Ich wußte gar nicht, daß du eine Katze hast.«
    »Seit Jahren schon. Ich habe es auf der Straße gefunden, das arme Kätzchen. Meine Haushälterin schaut nach dem Tier, wenn ich nicht da bin. Aber mittwochs kommt sie nicht.«
    »Wie heißt es denn?« fragte Julia. Er lächelte verlegen. Aus irgendeinem Grund schien er sich für die Existenz der Katze zu schämen. »Pussy«, sagte er schließlich. »Mir ist nichts anderes eingefallen. Gute Nacht, Liebes. Schlaf gut.«
    »Du auch.« Sie gab ihm zum Abschied einen Kuß.
    Nachdem sie die Tür abgeschlossen hatte, fielen ihr erneut die Blumen ein. Felix' Nachricht mit seiner Telefonnummer lag in ihrer Nachttischschublade. Sie hatte jedoch keine Lust, ihn anzurufen. Eines Tages würde sie es vielleicht tun – aus Höflichkeit. Aber heute nicht. In dieser Nacht schlief sie besonders tief und träumte, daß Ben ihr eine Katze geschenkt hätte.
    »Daddy?« Gloria King trat an den Sessel heran, in dem ihr Vater mit geschlossenen Augen saß, beugte sich über ihn und küßte ihn auf die Wange. Er war vor den Wochenendgästen geflüchtet und hatte sich in die Bibliothek zurückgezogen. Wenn sie sich auf dem Lande aufhielten, entspannte er sich gern. Er hatte ein großes Anwesen in Gloucestershire gekauft, auf dem er sowohl eine Farm als auch einige kommerzielle Einrichtungen – wie den Golfplatz, den er in angemessener Entfernung vom Haus hatte errichten lassen – unterhielt. Er war der Ansicht, daß sich alle seine Besitztümer selbst finanzieren sollten. Das viertausend Morgen umfassende Landgut bildete da keine Ausnahme.
    »Ich habe dich hoffentlich nicht geweckt?«
    Er betrachtete seine Tochter zärtlich und zog sie auf die Sessellehne herunter. Er hatte sie gerne nahe bei sich. Ihr aschblondes Haar, die blauen Augen, die Körperstatur erinnerten ihn an seine Familie, an seine Wurzeln. Er war bäuerlicher Herkunft, entstammte einer Familie, die ihr Land seit Generationen bewirtschaftet hatte. Daher der schwere Knochenbau, die ausgeprägte Muskulatur, die groben Hände und Füße. Seine Veranlagungen waren jedoch nicht nur praktischer Natur – er besaß auch Köpfchen. Gott allein wußte, welche genetische Verirrung dafür verantwortlich war, daß er, der Bauernjunge, eine solch außergewöhnliche Intelligenz mitbekommen hatte. Er war sich seiner Begabung von Anfang an bewußt gewesen und hatte sich bemüht, sie vor seiner Familie zu verbergen. Er las und lernte heimlich, immer in Angst vor dem Zorn seines Vaters, denn wenn der ihn mit einem Schulbuch erwischte, setzte es eine deftige Tracht Prügel. Der Sohn sollte draußen mit anpacken, statt faul herumzulungern. Seine Mutter hatte Verständnis für ihn. Sie war stolz darauf, daß er lesen konnte und gern zur Schule ging, obwohl er meilenweit dorthin laufen mußte. Sie wagte es nicht, vor dem Vater Partei für ihn zu ergreifen, aber sie ermunterte ihn in seinen Interessen und beschützte ihn vor den drei älteren Brüdern. Er hatte seine Mutter geliebt. Gloria erinnerte ihn an sie. Wenn er seine Tochter mit Juwelen behängte, ihr einen

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