Die Entlarvung
letztendlich fiel. Er hatte seine Pflicht gegenüber dem Wohltäter des Vereins erfüllt. Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt.
Kapitel 5
»Es gibt keine Sterbeurkunde. Der angebliche Tod von Mrs. König ist amtlich nicht registriert worden.« Julia schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
Harris legte seine Brille ab. »Sind irgendwelche ärztlichen Unterlagen aufgetaucht?«
»Bisher noch nicht. Meine Mitarbeiter sind dabei, die Praxen zu überprüfen, die auch damals schon existierten, als das Ehepaar König in besagtem Haus gelebt hat. In einer dieser Praxen wurden im Zuge einer Modernisierung alle alten Karteien vernichtet. Bei unserem Glück war Mrs. König bestimmt dort als Patientin registriert. Die Kollegen beschäftigen sich im Moment aber auch noch mit zwei weiteren Praxen, die in Frage kommen könnten. Wir wissen«, resümierte Julia, »daß die Frau einen Unfall hatte. Dafür gibt es Zeugen. Aber was die Umstände ihres Todes betrifft, müssen wir uns allein auf das Wort ihres Ehemannes verlassen. Was ist denn nun wirklich mit der Frau geschehen?«
»Warte ab, was die Nachforschungen der Kollegen ergeben«, riet Ben. Plötzlich kam ihm eine Idee. »Unfallopfer werden doch in der Regel in das nächstliegende Krankenhaus eingewiesen. Schicke jemanden ins Putney Royal oder ins Hammersmith Hospital. Sie haben ihre Unterlagen vielleicht auch längst vernichtet, aber ein Versuch kann nicht schaden.«
»Danke, Ben. Es soll sich gleich jemand auf den Weg machen. Übrigens, ich habe ein Geschenk für dich.«
»Ein Geschenk? Wofür?«
»Damit deine Brille in Zukunft länger hält. Bitte sehr, leg sie hier hinein.« Sie reichte ihm ein Etui aus dunklem Leder. Er brauchte es nur zu befühlen und wußte, daß es sehr teuer gewesen war.
Zögernd legte er seine Brille hinein und verstaute sie samt Etui in seiner Brusttasche.
»Ich bin an Geschenke nicht gewöhnt. Ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll.«
»Nichts.« Julia lächelte ihn an. »Hör einfach nur auf, böse zu gucken. Bei mir mußt du nicht verlegen sein.«
»Ich freue mich«, brachte er hervor. »Wirklich. Vielen Dank. Ich muß jetzt zurück in mein Büro. Treffen wir uns nachher?«
»Auf einen Drink in der Kneipe«, schlug Julia vor. »Danach kannst du mich in deine Wohnung einladen und mich deiner Katze vorstellen.«
Als sie nach Büroschluß in den Aufzug gehen wollte, wäre sie fast mit Felix zusammengestoßen. Seit er die Wohnung verlassen hatte, waren sie sich nicht mehr über den Weg gelaufen. »Hi«, grüßte er, während sie den Aufzug betrat. »Schön, dich zu sehen.« Er wirkte kühl, aber freundlich und überhaupt nicht verlegen.
Julia selbst war erst einmal zusammengezuckt, als sie ihn bemerkt hatte. »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, gab sie zurück. »Wie geht es dir?«
»Ausgezeichnet. Tatsache ist, daß ich mit einem Informanten verabredet bin, der eine Insider-Geschichte aus dem Regierungsmilieu anzubieten hat. Es muß sich um ziemlich skandalträchtiges Material handeln.«
»Du weißt, daß Warburton von solchen Methoden nichts hält«, erinnerte Julia ihn kühl.
»Ja, ja, ich weiß. Er ist ein alter Langweiler. Ich höre mir trotzdem an, was der Informant auf Lager hat, selbst auf die Gefahr hin: außer Spesen nichts gewesen.«
Lachend trat er aus dem Lift. Bevor er sich eilig davonmachte, drehte er sich noch einmal um und rief: »Bye, Julia, man sieht sich!«
Julia ging langsam hinter ihm her und beobachtete, wie er zum Parkplatz hastete. Er hatte jeglichen Reiz für sie verloren. Er war ein Fremder geworden, ein Mann, mit dem sie nichts anfangen konnte; er stand für eine Periode in ihrem Leben, in der sexuelle Abhängigkeit ihr klares Urteilsvermögen getrübt hatte.
Sie wollte Felix nicht allein die Schuld geben. Sie war älter als er und hätte das Verhältnis beenden sollen, bevor es sich so verschlechtert hatte.
Und nun war ein völlig anderer Mann in ihr Leben getreten. Ben und sie standen sich schon allein deshalb näher, weil sie die gemeinsame Arbeit und der gegenseitige Respekt miteinander verbanden. Außerdem beruhte ihr körperliches Verhältnis auf Gleichwertigkeit, nicht auf männlicher Dominanz. Vielleicht hatte Felix einen niederen Instinkt in ihr angesprochen, vielleicht hatte sie sich ihm unterwerfen müssen, weil in anderen Bereichen, vor allem im finanziellen, ein solches Ungleichgewicht zwischen ihnen bestanden hatte. Verwundert stellte sie
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