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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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seinem Sessel. »Hamilton aus der Nachrichtenredaktion? Woher, zum Teufel, hat Derwent diese Information?«
    Gloria hatte ein außerordentlich gutes Gedächtnis. Sie merkte sich alles, was für ihren Vater von Interesse sein konnte.
    »Er hat im Parlament mit einem Politikjournalisten gesprochen, der für Warburton arbeitet. Der Journalist ist angeblich mit Miss Hamilton befreundet gewesen, sie haben sich aber mittlerweile getrennt. Derwent und er haben einige Drinks zusammen getrunken. Irgendwann hat der Ex angedeutet, daß sich seine Freundin um ein paar Parlamentsangehörige kümmern will. Und seither hat Derwent keine ruhige Nacht mehr verbracht!« Gloria lachte abfällig. Wie ihr Vater brachte sie im allgemeinen nur wenig Respekt für ihre Mitmenschen auf; menschliche Schwäche aber verachtete und verdammte sie.
    »Julia Hamilton«, sagte King nachdenklich. »Wir haben sie letzten Monat bei Mario gesehen. Rotfuchs.« Finster starrte er vor sich hin.
    »Ich erinnere mich. Sie hat dich so böse angesehen. Ich habe dich noch darauf aufmerksam gemacht.«
    »Richtig«, bestätigte er. »Du hast eine gute Beobachtungsgabe. Am besten gehst du jetzt zurück zu unseren Gästen. Sag ihnen, daß ich noch ein Telefonat entgegennehmen mußte. Ich komme dann auch gleich nach. Und sei nett zu Leo Derwent. Den Mann brauche ich vielleicht noch.«
    »Er ist völlig fasziniert von Freda, dem Mädchen, das mit Ted Ellis gekommen ist. Für mich hat er bestimmt keinen Blick mehr. Aber ich versuche es.«
    Freda war der Köder, den Joe ausgelegt hatte. Eine Edelnutte mit ganz besonderen Fähigkeiten. Und Derwent hatte angebissen. King sog so heftig an seiner Zigarre, daß die Spitze rot aufglühte.
    Julia Hamilton. Sie also würde die neue Schnüffelserie des Herald leiten. Er kannte den Slogan, mit dem für das Projekt geworben wurde, auswendig. Aufgepaßt auf die Enthüllungen. Wir wachen über die Nation! Joe hatte in Julia Hamiltons Wohnung nichts weiter gefunden als ein paar Reisedaten und die Telefonnummer des Liebhabers. Des ehemaligen Liebhabers, der sich mit Leo Derwent unterhalten hatte.
    Es wurde Zeit, daß er dem Mann ein paar Fragen stellte. Er erreichte Joe über das Autotelefon, das dieser in seinem Wagen installiert hatte. Joe hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Dann sagte er: »Ja, machen Sie sich keine Sorgen. Ich erledige das. Ist die Sache sehr eilig? Ich brauche ein paar Tage, um alles vorzubereiten … Oh, okay, kein Problem. Wie machen sich meine Miezen?« Er hatte sie selbst ausgesucht und ihnen klare Instruktionen erteilt: Haltet euch an den einen Mann und laßt euch auf nichts anderes ein!
    »Freda hat sich den Kerl geangelt«, berichtete King mürrisch. »Sie weiß, daß sie es nicht in meinem Haus mit ihm treiben kann?«
    »Großer Gott, ja. Auf so eine Idee würde sie nicht im Traum kommen …«, versicherte Joe und markierte den Schockierten. King hatte selbst nichts gegen abwechslungsreiche Sexpraktiken einzuwenden. Aber sein Haus war ihm heilig. Mußte an der alten Erziehung liegen, dachte Joe. Und an der ausländischen Herkunft. Er wechselte schnell das Thema. »Ich werde unserem Freund einen Besuch abstatten. Ich versuche es zuerst einmal auf die freundliche Art.« King legte den Hörer auf.
    »Julia Hamilton!« rief er aus. Etwas lag in der Luft. Wie ein Tier witterte er, daß sich etwas zusammenbraute. Er verließ die Bibliothek und gesellte sich wieder zu seinen Gästen. Er benahm sich derb, laut und selbstgefällig. Er gab sich bewußt vulgär und stellte seine Macht zur Schau. Er dominierte sie alle.
    In seinem bescheidenen Wohnzimmer beendete der Präsident des Nessenberger Veteranenvereins seinen vertraulichen Bericht über die englischen Besucher, die sich für die Akte der Kontrollkommission von 1948/49 interessiert hatten. Seine Darlegung würde er an die Kontaktadresse in Stuttgart weiterleiten. Die Gesinnungsgenossen in München waren in letzter Zeit aufgefallen und standen unter ständiger polizeilicher Überwachung. Es war daher notwendig geworden, ein neues Informationsnetz über Mittelsmänner in Stuttgart aufzubauen. Er las seinen Bericht ein letztes Mal durch, überprüfte alle Angaben und verschloß ihn dann in einem Kuvert. Am Montagmorgen würde er ihn per Eilpost absenden. Von Stuttgart aus würden seine Informationen dann ihren weiteren Weg nehmen. Den eigentlichen Empfänger kannte der Präsident nicht. Er wollte auch gar nicht wissen, in wessen Hände der Bericht

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