Die Entlarvung
Porsche zum Geburtstag schenkte und sie mit allem Luxus dieser Welt verwöhnte, hatte er das Gefühl, indirekt auch seiner Mutter etwas Gutes zu tun. Für sie, für seine Familie kam all dies zu spät. Sie waren alle tot. Die Brüder waren im Osten gefallen, die Eltern hatten den Krieg nicht überlebt. Von seiner Vergangenheit war nichts übriggeblieben.
Er hatte sich seine eigene Zukunft geschaffen und schuldete niemandem etwas.
»Nein, Darling, du hast mich nicht geweckt«, sagte er. »Ich döse nur ein wenig.«
»Du solltest nicht so hart arbeiten«, murmelte Gloria. Sie legte einen Arm um seine Schultern und schmiegte sich an ihn. Den Vater umgab ein angenehmer, wohltuender Duft nach Rasierwasser und den Rauch erlesener Zigarren. Als kleines Kind hatte Gloria verkündet, daß sie ihn heiraten würde, sobald sie groß genug dazu sei. Er hatte dann gelacht, sie an den Armen in der Luft herumgewirbelt und gerufen: »Soll ich denn die Mami wegschicken?« Sie hatte diese Frage stets sofort bejaht.
»Wer bezahlt unsere Rechnungen, wenn ich nicht arbeite?« wollte der Vater jetzt wissen.
»Mach dich nicht lustig über mich. Ich meine es ernst. Du vergräbst dich hier, weil du so erschöpft bist.«
»Ich flüchte mich hierher, um deiner Mutter und ihren Spatzenhirn-Freunden zu entkommen«, widersprach er. »Warum sind die meisten Menschen nur so beschränkt? Ich kann es oft nicht fassen, worüber sich die Leute an meinem Tisch unterhalten.«
»Warum läßt du dir das von Mutter gefallen?« empörte sich Gloria. »Du brauchst deine Erholung, aber sie hat nichts anderes im Sinn als ihre Dinner- und Lunch-Partys, so daß du nie deine Ruhe hast.«
»Wenn es ihr Spaß macht«, beschwichtigte sie King. »Du weißt, daß sie gesellig ist. Und manchmal sind ihre Partys ja auch ganz nützlich. Was hältst du von diesem Leo Derwent? War er interessant?« Er hatte beobachtet, wie Gloria sich während des Essens mit dem Staatssekretär aus dem Ministerium für Industrie und Handel unterhalten hatte. King hatte seine Frau eigens angewiesen, Leo Derwent auf die Gästeliste zu setzen.
Es kursierten Gerüchte, daß der aufstrebende Politiker seine Freundinnen gerne fesselte und quälende Spielchen mit ihnen trieb. Sehr verhaltene Gerüchte, aber sie waren dennoch an Kings Ohr gedrungen. Joe hatte sie ihm zugetragen, der sich im Rotlichtmilieu besser auskannte als jeder andere.
Anscheinend besaß Derwent eine Neigung zum Sadomasochismus. King hatte Joe daher gebeten, ihm ein paar Damen zur Verfugung zu stellen, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert hatten. Zwei von ihnen befanden sich unter den Gästen, die an diesem Wochenende eingeladen waren, und eine der beiden Damen hatte mit dem Staatssekretär bereits Blickkontakt aufgenommen. Damit dieser keinen Verdacht schöpfte, hatte King dafür gesorgt, daß er während des Essens neben Gloria saß. Die aufreizende Dame erhielt einen Platz ihm gegenüber, nahe genug also, um Derwents Gelüste anzufachen.
»Er hat ununterbrochen über den Sunday Herald gesprochen«, beklagte sich Gloria. »Er meint, daß Western eine Kampagne gegen ihn führt, weil er sich gegen ein vereintes Europa ausgesprochen hat. Sein Gerede ist mir ziemlich paranoid vorgekommen. Angeblich haben Westerns Leute all die Artikel ausgegraben, in denen er öffentlich gegen Brüssel Stellung bezogen hat, nur um seine Positionen dann haarklein auseinanderzunehmen. Er hat mir außerdem erzählt, daß der Herald eine neue Serie plant und daß er die Frau, die die Sache leiten soll, vor längerer Zeit einmal auf einer Abendgesellschaft bei Western kennengelernt hat.«
Harold King richtete sich auf und schob dabei Glorias Arm von seinen Schultern. »Hat er das?«
»Ja, er hat den ganzen Abend von nichts anderem gesprochen. Ich, ich, ich … Sie sind alle gleich.«
»Typische Politikerkrankheit«, stellte King fest. »Große Klappe, wenig dahinter. Hat er noch etwas über die neue Serie gesagt? Ich glaube, sie nennt sich ›Enthüllungen‹. Der Herald hat sie bereits groß angekündigt, aber bis jetzt ist noch nichts erschienen.«
»Nun, Derwent glaubt, daß er der Gegenstand der ersten Reportage sein wird.«
»So wichtig ist er nicht«, murmelte King abschätzig. »Eine Frau soll die Serie leiten? Bisher sind noch keine Namen genannt worden.«
»Julia Hamilton – eine der besonders prominenten Mitarbeiter des Herald. Er fand sie ziemlich zickig, als er sich mit ihr unterhalten hat.«
King erhob sich aus
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