Die Entlarvung
Flaschen herumlagen«, erinnerte sich die Frau.
»Zugehfrau?« Die Interviewerin klang verwundert.
»Eine Putzfrau. Sie hat auch für uns gearbeitet und wußte immer allerlei Klatsch über die Nachbarn zu verbreiten.«
»Wann wurde Mrs. König krank?«
»Krank? Sie war nicht krank. Sie hatte einen Unfall.« Das Ehepaar sprach aufgeregt durcheinander.
»Was für einen Unfall?« Julia beobachtete Western. Er war blaß und beugte sich angespannt über den kleinen Rekorder.
»Sie ist gestürzt, habe ich recht, Dick? Im Garten ist es passiert. Sie hat sich das Genick gebrochen. Ich nehme an, daß sie getrunken hatte.« Aus der Stimme war der Neid auf die vulgäre, aber attraktive Mrs. König herauszuhören.
»Großer Gott«, brach es aus Western hervor. Er hatte sich aber sofort wieder unter Kontrolle, als das Interview weiterging. »Er hat einen Krankenwagen gerufen, der die Frau ins Krankenhaus gebracht hat. Ein paar Tage später hat er der Putzfrau den Tod seiner Frau mitgeteilt. Er soll dabei geweint haben. Pure Show, meiner Meinung nach.«
»Du hast immer ihre Partei ergriffen.« Die Stimme der Frau klang schrill. Offensichtlich hatte es damals nicht nur bei den Königs Streit gegeben. »Er war nicht so schlecht, wie du ihn jetzt darstellst. Du hast ihn nur nicht leiden können, weil er ein Fremder war. Ein polnischer Flüchtling, soviel ich gehört habe.«
»Wie ist es nach dem Tod der Frau weitergegangen? Meine Fragen strengen Sie hoffentlich nicht zu sehr an?« Julia hatte ihr Team angewiesen, behutsam vorzugehen und keinerlei Druck auszuüben – besonders ältere Leute sollten rücksichtsvoll behandelt werden. Und diese Interviewpartner hatten bereits ein hohes Alter erreicht. Wie aus den Angaben zu ihren Personalien hervorging, waren beide weit über Achtzig. Seit dreizehn Jahren lebten sie in einem Altersheim. Der Ehemann saß im Rollstuhl, und seine Frau war halb blind.
»Nein, nein, wir unterhalten uns gern mit Ihnen. Ich kann mich zwar meistens nicht daran erinnern, was ich zu Mittag gegessen habe – meine Frau ist sogar noch vergeßlicher –, aber die Ereignisse von damals sind uns noch so präsent, als hätten sie sich gestern ereignet. Was genau möchten Sie wissen?«
»Ist Mr. König in dem Haus wohnen geblieben, nachdem Mrs. König gestorben ist?«
»Nein. Er ist ausgezogen. Das Haus ist sehr schnell verkauft worden. Damals herrschte eine große Nachfrage nach Wohnraum. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört oder gesehen.« Julia beugte sich vor und stellte den Rekorder ab.
»Ich werde dieses Interview abtippen lassen. Das Ehepaar kann dann im Beisein eines Anwalts die Richtigkeit der Aussagen bestätigen.«
»Was hat Ihre Mitarbeiterin den beiden gesagt?« erkundigte sich Western. »Sie hat hoffentlich nichts von King erwähnt?«
»Sie hat gesagt, daß sie König wegen einer Hinterlassenschaft sucht. Sie mußte das Band erheblich kürzen. Die beiden haben geredet und geredet. Sie hatte richtig Mitleid mit ihnen. Sie halten sich den ganzen Tag in ihrem engen Zimmer auf und gehen sich auf die Nerven. Ein wenig erfreulicher Ort, dieses Altersheim.«
Western hörte gar nicht zu. Die Probleme anderer Leute interessierten ihn nicht. »Bequem für ihn, nicht wahr«, murmelte er. »Die Frau so schnell loszuwerden. Und dann noch an ihr Geld heranzukommen. Gute Arbeit, Julia. Bleiben Sie dran.«
»Sie glauben nicht an einen Unfall?« fragte Julia.
»Es spielt keine Rolle, was ich glaube. Wir brauchen Beweise. Das Material, das wir bis jetzt haben, reicht noch nicht aus.« Sein Ton war scharf. »Wir können ihn als Lügner entlarven, nicht aber als Kriminellen. Bisher ist ihm nicht nachzuweisen, daß er irgendein Gesetz gebrochen hat. Aber genau darum geht es mir. Ich will stichhaltige Beweise, mit denen ich ihn ans Kreuz nageln kann.«
Er stand abrupt auf. »Lord Western«, sagte Julia leise, »es gibt da etwas, das ich Sie fragen muß.«
In seinen Augen flackerte Mißtrauen auf. »Ich bezahle Sie nicht dafür, daß Sie mir Fragen stellen. Ich habe es eilig.«
Julia bewegte sich nicht von der Stelle. »Warum haben Sie Ben Harris vor zehn Jahren untersagt, seine Nachforschungen fortzuführen?«
Western schritt zur Tür. »Weil er nicht weiterkam. Seine Arbeit war reine Zeitverschwendung.«
»Er hat sich mit den Morden an zwei Männern beschäftigt, die King in geschäftlicher Hinsicht gefährlich geworden waren. Sie haben ihn gestoppt. Warum?«
Western öffnete die Tür und rief
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