Die Entmündigung (German Edition)
Tisch aus schwarzem Holz, an dem jedenfalls eben ein Abwesender gearbeitet hatte.
»Ist der Herr der Marquis d'Espard? sagte Popinot. »Nein, mein Herr«, antwortete der Alte und erhob sich. »Was wünschen Sie von ihm?« fügte er hinzu und ging den beiden entgegen, wobei er in seiner Haltung vornehme Manieren und ein Wesen, das der Erziehung eines Edelmannes entsprach, zeigte. »Wir möchten mit ihm über Dinge sprechen, die ganz persönlich sind«, antwortete Popinot.
»D'Espard, hier sind Herren, die nach dir fragen«, sagte jetzt diese Persönlichkeit und trat in das letzte Zimmer, wo der Marquis am Kamin stand und mit der Lektüre von Zeitungen beschäftigt war.
Dieses letzte Zimmer hatte einen abgenutzten Teppich, die Fenster waren mit grauen Leinen vorhängen versehen, dazu befanden sich hier noch einige Mahagoniholzstühle, zwei Sessel, ein Zylinderbureau, ein Bureau à la Tronchin, dann noch auf dem Kamin eine elende Uhr und zwei alte Leuchter. Der Alte ging Popinot und einem Schreiber voran, schob ihnen zwei Stühle hin, als ob er der Herr des Hauses wäre, und Herr d'Espard ließ ihn machen. Nach gegenseitigen Verbeugungen, während deren der Richter den angeblich Irren beobachtete, stellte der Marquis natürlich die Frage, was der Anlaß dieses Besuches sei. Hier sah Popinot den Alten und den Marquis mit ziemlich bezeichnendem Ausdruck an.
»Ich glaube, Herr Marquis,« erwiderte er, »daß die Natur meines Amtes und die Untersuchung, die mich hierher führt, verlangen, daß wir allein bleiben, obwohl es im Sinne des Gesetzes liegt, daß im vorliegenden Falle das Verhör eine gewisse häusliche Öffentlichkeit verlangt. Ich bin Richter am Tribunal erster Instanz des Seinegerichtshofs und von dem Herrn Präsidenten damit beauftragt, Sie über die Tatsachen zu befragen, die in einem Antrage auf Unmündigkeitserklärung vorgebracht worden sind, den die Frau Marquise d'Espard gestellt hat.«
Der Alte zog sich zurück. Als der Richter und der zu Vernehmende allein waren, schloß der Schreiber die Tür und setzte sich ohne weitere Umstände an das Bureau à la Tronchin, wo er seine Papiere hervorholte und sein Protokoll vorbereitete. Popinot hatte nicht aufgehört, Herrn d'Espard anzusehen und beobachtete die Wirkung der Erklärung, die für einen Mann, der bei voller Vernunft war, so grausam sein mußte. Der Marquis d'Espard, dessen Gesicht gewöhnlich blaß war wie meist blonde Personen, wurde plötzlich rot vor Zorn; er zeigte ein leichtes Erzittern, setzte sich, legte seine Zeitung auf den Kamin und schlug die Augen nieder. Bald aber gewann er die Würde des Edelmanns wieder und betrachtete den Richter, als wollte er von seinem Gesicht Zeichen seines Charakters ablesen.
»Weshalb, mein Herr, bin ich denn nicht von einem solchen Klageantrag benachrichtigt worden?« fragte er ihn.
»Mein Herr Marquis, da man annimmt, daß die Personen, deren Entmündigung beantragt wird, nicht für ihrer Vernunft mächtig angesehen werden, ist die Zustellung des Antrags überflüssig. Die Pflicht des Gerichtshofs ist es, die von den Antragstellern angeführten Gründe auf ihre Wahrheit hin zu prüfen.
»Nichts ist gerechter«, antwortete der Marquis.
»Nun, mein Herr, wollen Sie mir angeben, in welcher Weise ich mich erklären soll...«
»Sie haben nur auf meine Fragen zu antworten, indem Sie keine Einzelheit weglassen. Wie peinlich auch die Gründe sein mögen, die Sie zu den Handlungen veranlaßt haben, die der Madame d'Espard den Vorwand zu ihrem Antrag gegeben haben, sprechen Sie ohne Furcht. Es ist überflüssig, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß die Richter ihre Pflicht kennen, und daß bei solcher Gelegenheit das tiefste Geheimnis...«
»Mein Herr,« sagte der Marquis, dessen Züge echten Schmerz verrieten, »wenn aus meinen Erklärungen ein Vorwurf wegen des Verhaltens von Madame d'Espard hervorgehen sollte, was würde dann geschehen?«
»Der Gerichtshof könnte das in den Gründen für sein Urteil rügen.«
»Ist diese Rüge fakultativ? Wenn ich mit Ihnen vereinbarte, bevor ich antworte, daß nichts für Madame d'Espard Verletzendes ausgesprochen werden solle, falls Ihr Bericht günstig für mich ausfiele, würde der Gerichtshof auf meine Bitte Rücksicht nehmen?« Der Richter sah den Marquis an, und beide Männer tauschten ihre Gedanken, die die gleiche vornehme Gesinnung verrieten, aus.
»Noël,« sagte Popinot zu seinem Schreiber, »gehen Sie in das andere Zimmer. Wenn ich Sie brauche, werde ich
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