Die Entmündigung (German Edition)
Sie rufen. – Wenn, wie ich jetzt zu glauben geneigt bin, in dieser Sache Mißverständnisse vorliegen, so kann ich Ihnen, mein Herr, versprechen, daß der Gerichtshof, Ihrem Wunsch entsprechend, rücksichtsvoll vorgehen wird«, fuhr er, nachdem der Schreiber das Zimmer verlassen hatte, zu dem Marquis gewendet fort. »Hier wird als wichtigster Umstand, als schwerwiegendster, von Madame d'Espard einer benannt, über den ich Sie bitte, mich aufzuklären«, sagte der Richter nach einer Pause. »Es handelt sich um die Verschleuderung Ihres Vermögens zugunsten einer Dame Jeanrenaud, der Witwe eines Schiffkondukteurs, oder vielmehr zugunsten ihres Sohnes, des Obersten, dem Sie eine Stelle verschafft, für den Sie die Gunst, die Sie beim Könige genießen, ausgenutzt, kurz, für den Sie Ihre Protektion so weit getrieben haben, daß Sie ihm eine gute Heirat verschaffen wollen. Der Klageantrag gibt zu bedenken, daß in bezug auf Hingebung diese Freundschaft alle Empfindungen, selbst die von der Moral nicht gebilligten, überschreitet ...«
Eine plötzliche Röte färbte Gesicht und Stirn des Marquis, es traten ihm sogar Tränen in die Augen, seine Wimpern wurden feucht; dann unterdrückte ein gerechter Stolz diese Empfindlichkeit, die bei einem Manne für Schwäche gilt.
»In Wahrheit, mein Herr,« antwortete der Marquis mit erregter Stimme, »Sie bringen mich in peinliche Verlegenheit. Die Beweggründe für mein Verhalten sollten verurteilt sein, mit mir zu sterben ... Um darüber zu sprechen, muß ich vor Ihnen geheime Wunden aufdecken, vor Ihnen die Ehre meiner Familie bloßstellen und, was, wie Sie zugeben werden, eine mißliche Sache ist, von mir sprechen. Ich hoffe, mein Herr, daß das alles zwischen uns geheim bleiben wird. Sie werden eine juristische Form dafür finden, die es gestattet, ein Urteil abzufassen, ohne daß dabei von meinen Eröffnungen die Rede ist...« »Nach dieser Richtung hin ist alles möglich, Herr Marquis.«
»Einige Zeit nach unserer Heirat, mein Herr, hatte meine Frau so große Ausgaben gemacht, daß ich genötigt war, eine Anleihe aufzunehmen. Sie wissen, wie die Lage der adligen Familien während der Revolution war. Es war mir nicht möglich, einen Intendanten oder einen Geschäftsführer zu halten. Heute sind die Edelleute fast alle genötigt, sich selbst um ihre Geschäfte zu kümmern. Die meisten meiner Besitztitel stammten aus dem Languedoc oder aus dem Comtat von Paris von meinem Vater her, der mit genügendem Grunde die Nachforschungen fürchtete, die die Familienurkunden und das, was man damals Pergamente der Privilegierten nannte, ihm zuzogen. Unser Familienname ift Nègrepelisse. D'Espard ist ein Titel, der unter Heinrich IV. durch eine Ehe verliehen wurde, die uns das Vermögen und die Besitzurkunden des Hauses d'Espard zugebracht hat, unter der Bedingung, auf unser Schild das Wappen der d'Espard, einer alten Familie aus dem Béarn, die weiblicherseits mit dem Hause d'Albret verbunden war, zu setzen: Gold mit drei Sandhügeln, blaugeteilt, mit zwei silbernen roten Andreaskreuzen und dem berühmten ›des partem leonis‹ als Devise. An dem Tage der Hochzeit verloren wir Nègrepelisse eine kleine Stadt, ebenso berühmt in den Religionskriegen, wie es der Name, den meine Ahnherren von daher trugen, war. Der Hauptmann de Nègrepelisse wurde durch den Brand seiner Güter ruiniert, denn die Protestanten schonten keinen Freund von Montluc. Die Krone benahm sich ungerecht gegen Herrn de Nègrepelisse, er erhielt weder den Marschallsstab, noch einen Gouverneursposten, noch eine Entschädigung; König Karl IX., der ihn schätzte, starb, ehe er ihn belohnen konnte; Heinrich IV. vermittelte wohl seine Heirat mit Fräulein d'Espard und verschaffte ihm die Domänengüter dieses Hauses; aber alle Güter der Nègrepelisse waren bereits in die Hände der Gläubiger übergegangen. Mein Urgroßvater, der Marquis d'Espard, war, wie ich, ziemlich jung an die Spitze seiner Geschäftsangelegenheiten durch den Tod seines Vaters getreten, der, nachdem er das Vermögen seiner Frau vergeudet hatte, nichts hinterließ als die ihr zugefallenen Güter des Hauses d'Espard, aber belastet mit einem Leibgedinge. Der junge Marquis d'Espard befand sich also um so mehr in Verlegenheit, als er eine Stellung bei Hofe hatte. Besonders gern von Ludwig XIV. gesehen, war die Gunst des Königs ein Glückspatent für ihn. Hier aber, mein Herr, wurde auf unser Wappen ein unbekannter furchtbarer Flecken, ein Flecken von
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