Die Entscheidung
Überwachungskameras war wahrscheinlich nicht nur der Mörder, sondern auch Rapp und Coleman zu sehen. Sie hatten zwar beide Kopfbedeckungen getragen, und sie wussten auch, wie man den Kopf neigen musste, um das Gesicht von der Kamera abzuwenden, doch es war trotzdem besser, wenn die ermittelnde Polizei gar nicht erst so weit kam.
»Also, wie geht es jetzt weiter?«, fragte Coleman.
»Wir fahren erst einmal nach Hause und schlafen ein wenig, und morgen früh sehen wir weiter.« Irene Kennedy blickte zu Dumond hinüber, als ihr einfiel, dass es noch etwas gab, um das sie sich kümmern musste. »Marcus, Direktor Stansfield hat gefragt, ob Sie wohl ein Auslandskonto für den Abgeordneten Rudin eröffnen könnten und das Geld von Camerons Konten dorthin überweisen könnten.«
Dumond verdrehte die Augen. »Ja, kann ich machen. Kein Problem«, sagte er, wenn auch nicht allzu begeistert.
»Was ist denn los?«, fragte Irene Kennedy.
»Wir haben ziemlich viele Überstunden gemacht«, entgegnete Dumond mit einer Geste, die alle am Tisch mit einschloss. »Ich hatte gehofft, dass eine kleine Prämie für uns dabei rausspringen könnte.«
Irene Kennedy dachte kurz nach. »Ich werde den Direktor fragen, was er dazu meint. Aber das mit dem Konto ist doch nicht mit irgendwelchen Problemen verbunden, oder?«
»Nein, das kann ich in einer Stunde erledigen.«
Irene Kennedy hatte mit ihrem Auftrag für Dumond Rapps Neugier geweckt. »Was hat der Abgeordnete Rudin denn mit der Sache zu tun?«
»Wir sind uns noch nicht sicher. Der Direktor und der Präsident werden morgen früh ein kleines Gespräch mit ihm führen, aber wir können vorsichtshalber schon einmal davon ausgehen, dass er auch irgendwie in die Sache verwickelt ist.«
44
Am Freitagmorgen herrschte im Westflügel des Weißen Hauses reger Betrieb. Es hatte sich rasch herumgesprochen, dass der Präsident auf dem Kriegspfad war. Das kam bei Präsident Hayes nicht oft vor – doch wenn es so weit war, dann waren seine Mitarbeiter so vernünftig, ihm möglichst aus dem Weg zu gehen. An diesem Tag waren es zwei Ereignisse gewesen, die für dicke Luft sorgten. Zuerst hatte der Präsident um 7.54 Uhr, als er das Oval Office betrat, Valerie Jones zu sich gerufen und sie angewiesen, sich sofort mit Außenminister Midleton in Verbindung zu setzen und ihm zu sagen, dass er unverzüglich im Weißen Haus erscheinen solle. Danach war der sehr gebrechlich wirkende Thomas Stansfield eingetroffen, der nun beim Präsidenten im Oval Office saß. Die schlechte Laune des Präsidenten, die ungewöhnlich heftige Art und Weise, wie er den Außenminister zu sich zitierte, und schließlich das Erscheinen des CIA-Direktors hatten für eine angespannte Stimmung im Weißen Haus gesorgt.
Die Mitarbeiter im Weißen Haus bildeten sich normalerweise einiges darauf ein, stets zu wissen, was los war – doch an diesem Freitagmorgen befanden sie sich in der beunruhigenden Position, keine Ahnung zu haben, was sich da zusammenbraute. Nachdem sich herumgesprochen hatte, dass es um irgendeine große Sache gehen musste, wurde Valerie Jones, die Stabschefin des Präsidenten, mit telefonischen Anfragen von hochrangigen Mitarbeitern des Präsidenten bombardiert. Ihren ersten Anruf von einem Journalisten bekam sie bereits, als Midleton noch nicht einmal da war. Die Sache war also auch schon nach außen gedrungen.
Im Oval Office hatte sich der Präsident mittlerweile ein wenig beruhigt. Der Anblick des leidenden CIA-Direktors ließ ihn für einen Augenblick seine eigenen Sorgen vergessen. Wie alle seine Vorgänger wusste auch Hayes um die Bedeutung einer guten Inszenierung von Politik. Es hätte auch weniger spektakuläre Wege gegeben, mit der Situation umzugehen – doch in diesem Fall ging es ihm darum, dem aufgeblasenen Charles Midleton eine Lektion zu erteilen. Noch bevor der Tag zu Ende war, wusste jeder, der in Washington irgendetwas mitzureden hatte, dass der Präsident der Vereinigten Staaten vorhatte, dem Außenminister die Leviten zu lesen.
Stansfield war vom Plan des Präsidenten nicht ganz so überzeugt. Es gab viele Wege, eine solche Sitzung einzuberufen, ohne dass jemand es mitbekam. Sowohl Stansfield als auch Senator Clark hatten den Westflügel am Abend zuvor betreten, ohne dass irgendjemand außer dem Secret Service davon wusste. Präsident Hayes erklärte Stansfield, dass er Midleton bereits aufgefordert
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