Die Entscheidung
Küchentisch saßen, war es Dumond, der am meisten sprach. Er hatte im PC in Camerons Wohnung und im Laptop in seinem Büro jede Menge Informationen gefunden. Camerons Leiche war inzwischen unterwegs zur Einäscherung in einem Vorort von Baltimore. Ein Mann in einer braunen UPS-Uniform hatte den Toten in einer riesigen Pappschachtel aus seinem Büro gebracht. Niemandem war irgendetwas aufgefallen. Als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme würde ein Mann, auf den Camerons Beschreibung einigermaßen zutraf, nächsten Morgen einen Flug nach Bogota, Kolumbien, nehmen. Der Mann würde mit Camerons Pass reisen.
»Vieles von dem Zeug sagt mir überhaupt nichts«, stellte Dumond fest. »Wenn er irgendwelche wirklich interessanten Dinge auf diesen PCs hat, würde es mir jedenfalls nicht auffallen.«
»Werden Midleton und Rudin irgendwo erwähnt?«, wollte Irene Kennedy wissen.
»Ja, aber es kommt mehr oder weniger die gesamte Prominenz von Washington darin vor. Er hat beide Geheimdienstausschüsse und eine ganze Reihe von Politikern in Fragen der nationalen Sicherheit beraten. Ich meine, wir können das Material gern durchsehen – aber dann sollten Sie ungefähr eine Woche dafür einplanen. Oder ich bekomme Unterstützung von der Zentrale. Die Datenmenge ist einfach zu groß.«
Irene Kennedy hatte selbst schon daran gedacht, einige von ihren Leuten auf das Problem anzusetzen – doch die Sache hatten einen gravierenden Nachteil: Solange nicht geklärt war, wer geheime Informationen weitergegeben hatte, wusste man einfach nicht, wen man mit der Sache betrauen konnte. »Im Moment können wir dafür noch keine Hilfe aus der Zentrale in Anspruch nehmen«, stellte sie fest.
»Aber wie soll ich dann mit diesem ganzen Berg klarkommen? Ich werde ewig dafür brauchen, und es ist auch nicht gerade mein Spezialgebiet – schließlich bin ich kein Analytiker. Ich kenne all diese Namen nicht so gut wie Sie, und mir sagen auch die Themen herzlich wenig. Ich habe nicht den blassesten Schimmer, wer von den Leuten wichtig ist und wer nicht. Das mit dem Geld habe ich ja gefunden – aber der Rest ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.«
»Konzentrieren Sie sich fürs Erste auf alles, was auf eine Verbindung Camerons zum Außenminister oder zu dem Abgeordneten Rudin hindeutet.«
»Was ist mit dem Geld?«, wollte Rapp wissen.
Dumond hatte zwei Konten auf den Bahamas entdeckt, auf denen fast eine halbe Million Dollar lag. »Ich habe über eine Stunde herauszufinden versucht, woher das Geld gekommen ist – aber da war nichts zu machen«, antwortete Dumond.
»Sollen wir es jemand anders versuchen lassen?«
Dumond schien sichtlich gekränkt von Rapps Vorschlag. »Hör mal, wenn ich nicht herausfinden kann, woher das Geld stammt, dann wird es auch sonst niemand schaffen.«
»War ja nur eine Frage.«
»Die Leiche war noch warm, als ihr eingetroffen seid«, sagte Irene Kennedy, zu Rapp und Coleman gewandt. »Habt ihr jemanden weggehen sehen?«
Coleman überlegte einige Augenblicke. »Da war eine Frau, die gerade zur Treppe ging, als wir aus dem Aufzug kamen.« Er zuckte die Achseln. »Ich habe aber nicht auf sie geachtet.«
»Mitch?«
Rapp dachte an die Frau, die er gesehen hatte. Je öfter er sich die Szene vor Augen hielt, desto sicherer war er sich, dass es Donatella Rahn war. Die Art, wie sie sich bewegt hatte, und die Art, wie Peter Cameron getötet worden war, deutete eindeutig auf die schöne Italienerin hin. Rapp wusste, dass er Irene nichts von seinem Verdacht sagen konnte – jedenfalls nicht vor den anderen. Er schuldete Donatella einfach zu viel. Er würde eine Reise nach Italien machen und allein mit ihr sprechen müssen – ohne irgendeinen offiziellen Auftrag; schließlich hatten sie sich einmal sehr nahe gestanden und einander sogar das Leben gerettet.
Rapp schüttelte den Kopf und sah Irene Kennedy an. »Ich habe nichts Ungewöhnliches bemerkt.«
»Nun, ich habe jemanden hingeschickt, um die Aufzeichnungen von den Überwachungskameras zu beschaffen. Morgen müssen wir es dann durchsehen.«
»Gute Idee.« Einer der Gründe, warum Rapp gerne für Irene Kennedy arbeitete, war ihre Gründlichkeit. Früher oder später würde sich die Polizei für Camerons plötzliches Verschwinden interessieren, und sie würde unschwer herausfinden, dass der Mann an dem Tag, als er zum letzten Mal gesehen worden war, zwar das Universitätsgebäude betreten, aber offenbar nicht wieder verlassen hatte. Auf dem Bildmaterial der
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