Die Entscheidung
ist mit Irene? Ist dir nichts Besonderes an ihr aufgefallen?«
»Mitch, diese Frau stöhnt wahrscheinlich nicht mal, wenn sie einen Orgasmus hat. Verdammt, wahrscheinlich hat sie überhaupt noch nie einen gehabt.«
Rapp sah Dumond vorwurfsvoll an, und bevor er etwas sagen konnte, warf Dumond ein: »Es tut mir Leid. Ich mag Irene, aber du weißt schon, was ich meine. Sie ist so cool, wie man’s nur sein kann. Da könnte das Haus rund um sie niederbrennen, und sie macht wahrscheinlich weiter, als wäre nichts geschehen.«
Rapp verstand ihn nur zu gut. »Dir ist also überhaupt nichts aufgefallen?«
Dumond lehnte sich zurück. »Na ja, verdammt, Mitch, es gibt immer Kleinigkeiten, die einem auffallen. Wenn ich wüsste, mit welchen Geschäften du zu tun hattest – vielleicht könnte ich dir dann mehr sagen.«
Er überlegte einen Augenblick, beschloss dann aber, Dumond nichts von Deutschland zu erzählen. »Ich nehme an, du hast noch den Kasten, den ich dir gegeben habe?«
»Ich habe ihn nicht angerührt, so wie du’s mir gesagt hast.« Nun, in Wahrheit hatte er ihn wohl angerührt, er hatte sich sogar darauf gesetzt und ihn immer wieder betrachtet. Er hatte sich oft gefragt, was wohl in dem kalten Metallkasten war. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Waffen oder Geld. Mitch Rapp war ein Mann, der beruflich immer wieder mit üblen Dingen zu tun hatte, und er würde bestimmt nicht seine Zeit damit verschwenden, irgendwem einen Kasten mit Kleidern zur Aufbewahrung zu geben.
Rapp blickte auf seine Uhr. »Steht er immer noch bei dir zu Hause?«
»Ja.«
»Gut, lass uns gehen.«
18
Mario Lukas erwachte am Dienstagmorgen um fünf Uhr. Er hatte, so weit er zurückdenken konnte, noch nie besonders lange geschlafen. Er dachte, dass das wohl einer der Nachteile war, den sein Beruf mit sich brachte. Für einen Auftragskiller war es eben nie ganz einfach, sich so richtig zu entspannen. Und wenn man es in dem Geschäft so weit gebracht hatte wie Mario, dann machte man sich keine Sorgen wegen der Polizei, sondern eher wegen der Kollegen. Man musste immer auf der Hut sein, ob es nicht vielleicht jemanden gab, der sich an einem rächen wollte, oder ob jemand, den man für einen Freund hielt, einen hinterging. Genauso gut konnte es natürlich vorkommen, dass ein Arbeitgeber einen als Unsicherheitsfaktor betrachtete und beseitigen wollte.
Das waren so die Gedanken, die Mario für gewöhnlich durch den Kopf gingen, wenn er in den frühen Morgenstunden aus dem Bett stieg. Da war zum Beispiel dieser Mann, der allgemein als »der Professor« bekannt war. Mario fand, dass man ihm einfach nicht trauen konnte. Er hatte den Mann genau beobachtet, als sie in Colorado waren. Villaume hatte ihm gesagt, dass er ein Auge auf ihn haben sollte – und was Mario da gesehen hatte, gefiel ihm gar nicht.
Operationen wie die in Colorado waren eine hässliche Sache. Mario fand, dass sie ungefähr so waren, wie wenn man eine verheiratete Frau vögelte. Wenn man sich auf etwas Ernstes einließ, durfte man nicht überrascht sein, wenn sie eines Tages genau das mit einem machte, was sie mit ihrem ersten, zweiten oder dritten Mann getan hatte. Kurz gesagt, der Professor hatte die beiden Leute in Colorado angeheuert, damit sie einen Job für ihn erledigten – und dann legte er sie um. Er hatte Mario, Villaume und Juarez angeheuert, um ihm bei dem Job zu helfen – lag da der Gedanke so fern, dass er sich nun wieder an irgendwelche Killer wenden könnte, um nun auch sie zu beseitigen? Und genau deshalb konnte Mario nicht schlafen.
Mario schwang die Beine aus dem Bett seines Apartments. Er saß eine Minute auf der Bettkante, kratzte sich und wartete darauf, dass das Schwindelgefühl sich legte. Schließlich stand er auf und ging mit steifen Beinen zum Badezimmer hinüber. Seine Wohnung war nur mit dem Allernotwendigsten eingerichtet, was Mario vollauf genügte. Er häufte nicht gern viele Dinge um sich herum an. Er hatte ungefähr dreißig seiner über fünfzig Lebensjahre in Wohnungen wie dieser verbracht. Nicht einmal Mario selbst wusste genau, wie alt er war. Er hatte schon unter so vielen falschen Namen und an so vielen verschiedenen Orten gelebt, dass er nicht mehr hätte sagen können, ob er nun fünfundfünfzig oder sechsundfünfzig Jahre alt war. Alles, was er besaß, hätte er jederzeit im Kofferraum seines Wagens verstauen können. Bei seinem Beruf wäre es sinnlos gewesen, allzu viele Dinge anzuhäufen. Man musste
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