Die Entscheidung
Bademäntel, Seifenschalen, Laken, Nachttischlampen, Streichholzbriefchen, Gläser und Glühbirnen stapelten sich bis zur Decke.
»Ich bin ein Hehler«, gab Aizat zu, als er ihren verwunderten Blick bemerkte. »Tan Abdullah stiehlt unser Land und wir stehlen die Sachen aus seinem Hotel. Die Arbeiter klauen und bringen das Zeug zu mir. Ich schaffe es dann aufs Festland und verkaufe es an die Standbesitzer auf den Märkten.«
Helena klatschte in die Hände und brach in lautes Lachen aus. Sie stellte sich den wunderbaren Artikel vor, den sie schreiben würde, über gestohlenes Land, korrupte Politiker, die riesige Hotels bauten, und die armen Flüchtlinge, die sie wiederum bestehlen mussten, um zu überleben. Sie hätte gerne ein Foto von dem Diebesgut geschossen, doch das würde Aizat nur
schaden, wenn es publiziert wurde, daher verwarf sie den Gedanken.
»Verdienst du damit viel Geld?«, erkundigte sie sich.
»Geht so«, meinte Aizat achselzuckend. »Aber um das neue Boot zu kaufen, musste ich mir Geld leihen, und Leute, die jemandem wie mir etwas borgen, verlangen horrende Zinsen.«
In diesem Moment betraten ein Junge und ein Mädchen die Hütte. Sie waren ein wenig älter als Aizat und sahen einander so ähnlich, dass es sich um Geschwister handeln musste.
»Abdul, Noor und ich, wir sind das Komitee der Kampagne«, erklärte Aizat, als Helena ihnen lächelnd die Hände schüttelte.
»Und was unternehmt ihr zum Beispiel so?«, wollte sie wissen.
»Es ist schwierig, etwas zu bewegen, weil wir hier an der Nordwestspitze feststecken«, erwiderte Noor. »Aber ich habe einige Zeit im Süden der Insel verbracht, habe Flugblätter verteilt und versucht, mit so vielen einflussreichen Leuten wie möglich zu sprechen. Ich habe mich auÃerdem mit Mitarbeitern von wohltätigen Organisationen getroffen und mit Gruppen, die nicht der Regierung angehören.«
»Und wie fielen die Reaktionen aus?«, fragte Helena.
Noor zuckte mit den Achseln. »Wenn man mit den Leuten spricht, sind sie sehr hilfsbereit, aber man hat den Eindruck, dass es nicht viel Hoffnung gibt.«
Helena nickte zustimmend. »Die Tourismusindustrie
ist die gröÃte der Welt. Die Gruppierungen, die gegen diese milliardenschweren Gesellschaften kämpfen, sind dagegen winzig. Es ist vielleicht frustrierend, aber alles, was ihr tun könnt, ist weiter an das Gewissen der Menschen zu appellieren. Momentan denkt nur einer von tausend Leuten daran, dass Menschen wie ihr für den Bau eines Hotels von ihrem Land vertrieben werden, oder an die Schäden, die sie der Umwelt zufügen, wenn sie Urlaub machen. Aber wenn wir nicht aufgeben, dann erhöht sich die Zahl vielleicht auf einen von hundert, vielleicht sogar auf einen von zehn. Und dann muss euch die Regierung, dann müssen euch die Gesellschaften beachten, weil es sonst zu teuer für sie wird.«
Aizat, Noor und Abdul nickten zustimmend.
»Es ist deprimierend, weil es so lange dauert«, sagte Abdul ernst. »Aber meine Vorfahren haben Jahrhunderte in unserem Dorf gelebt. Und jetzt sind davon nur noch Holzstümpfe übrig.«
»Habt ihr schon irgendeine Art von Strategie für die Kampagne?«, fragte Helena.
Aizat nickte. »Wir konzentrieren uns auf Tan Abdullah. Er war schon Gouverneur dieser Insel, bevor ich geboren wurde. Aber Gerüchten zufolge bewirbt er sich um einen Ministerposten in Kuala Lumpur und will, dass sein ältester Sohn sein Nachfolger als Gouverneur wird.«
»Alles, was Tan im Augenblick schlecht aussehen lässt, könnte ihn vielleicht den Ministerposten kosten«,
fügte Noor hinzu. »Also versuchen wir, so viel Wirbel wie möglich zu machen, belästigen ihn bei öffentlichen Auftritten und so weiter.«
»Er kommt am Samstag zum Eröffnungsdiner«, erzählte Helena.
Noor nickte begeistert. »Es sollen Prominente anwesend sein, daher rechnen wir mit groÃer Medienpräsenz. Wir arbeiten an einem Plan, um bei der Veranstaltung für Unruhe zu sorgen.«
Helena lächelte. »Das klingt gut, aber übertreibt es nicht. Sobald ihr etwas zu Extremes macht, werden euch eure Feinde zu Terroristen erklären, und damit verliert ihr die Unterstützung der Bevölkerung.«
»Das ist uns klar«, erwiderte Aizat. »Aber es kommt nicht oft vor, dass Tan Abdullah hierher kommt und die Presse mitbringt, daher
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