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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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angekommen sei.
    Als der Zahlmeister davonschlurfte, um die Fässer zu begutachten, bevor sie in die Laderäume hinabgesenkt wurden, sagte Bolitho: »Ich wollte mit Ihnen sprechen, Mr. Graves.« Er sah, wie der Leutnant sich versteifte, wie seine Finger sich in seinen Mantel krallten. Armer Graves. Er sah aus wie ein alter Mann, und selbst seine Bräune konnte nicht die Schatten unter seinen Augen verbergen, die scharf eingegrabenen Linien zu beiden Seiten des Mundes. Wie stellte man es an, einen Offizier zu fragen, ob er ein Feigling sei? Bolitho fügte hinzu: »Haben Sie irgendwelchen Kummer?«
    Graves schluckte. »Mein Vater ist tot. Er starb vor einigen Wochen – ich habe soeben einen Brief erhalten.«
    »Das tut mir leid, Mr. Graves.« Bolitho sah ihm mit plötzlichem Mitleid ins Gesicht. »Es ist schwerer zu ertragen, wenn man so weit weg ist.«
    »Ja.« Graves blinzelte nicht einmal. »Er war seit einiger Zeit krank.«
    Die Tür wurde aufgerissen, und Tyrell hinkte geräuschvoll in die Kajüte. Er schien Graves nicht zu sehen, als er ausrief: »Bei Gott, Kapitän! Ich habe Neuigkeiten!« Er lehnte sich über den Tisch, seine ganze Aufregung und Freude strömten aus ihm heraus. »Meine Schwester... Es geht ihr gut, sie ist in Sicherheit! Ich habe einen Mann getroffen, der Jäger in der Grafschaft war. Er sagte, sie lebt bei unserem Onkel. Das ist ungefähr zwanzig Meilen nördlich unserer alten Farm.« Er grinste breit. »In Sicherheit! Ich kann kaum glauben, daß ich nicht träume!« Er drehte sich um und sah Graves erst jetzt.
    »Oh, zum Teufel! Tut mir leid. Ich habe mich vor lauter Aufregung vergessen.«
    Graves starrte ihn blicklos an, seine Finger hatten die Mantelschöße in zwei feste Bälle gedreht.
    Tyrell fragte: »Was ist los? Sind Sie krank oder so?«
    Graves murmelte: »Ich muß gehen. Bitte entschuldigen Sie mich, Sir.« Er rannte fast aus der Kajüte.
    Bolitho stand auf. »Das waren gute Neuigkeiten, Jethro.« Er blickte zur Tür. »Leider hat Graves gerade traurige gebracht. Sein Vater ist tot.«
    Tyrell seufzte. »Tut mir leid. Ich dachte, es sei vielleicht etwas von dem gewesen, was ich sagte.«
    »Wieso?«
    Tyrell zuckte die Schultern. »Nicht wichtig. Er hat sich einmal Hoffnungen auf meine Schwester gemacht.« Er lächelte über eine geheime Erinnerung. »Dies scheint nun alles sehr lange her zu sein.«
    Bolitho versuchte, nicht über Graves' versteinerten Gesichtsausdruck nachzudenken.
    »Eines Tages werden Sie wieder zu Ihrer Schwester zurückkehren können. Das freut mich sehr für Sie.«
    Tyrell nickte mit verträumten Augen. »Aye. Eines Tages.«
    Er nickte entschiedener. »Jetzt fühle ich mich nicht mehr ganz so verloren.«
    Fähnrich Fowler stieg vorsichtig über die hohe Schwelle und zog seinen Hut. »Der Leichtermann brachte Ihnen diesen Brief, Sir.« Er lispelte auffallend. »Er bestand darauf, daß ich Ihnen das Schriftstück persönlich übergebe.«
    »Danke.«
    Bolitho hielt ihn in der Hand. Wie der andere, den er in seinem Safe verschlossen hatte, trug er ihre Handschrift. Er öffnete ihn rasch und sagte dabei: »Ich werde ungefähr eine Stunde an Land gehen. Lassen Sie meine Gig rufen.«
    Fowler rannte aus der Kajüte, seine scharfe Stimme rief nach der Bootsmannschaft.
    Tyrell fragte ruhig: »Ist das denn klug, Sir?«
    »Was, zum Teufel, meinen Sie damit?« Bolitho drehte sich nach ihm um, die Frage hatte ihn unvorbereitet getroffen.
    Tyrell runzelte die Stirn. »Ich habe verschiedene Leute getroffen, als ich neues Tauwerk bestellte, Sir. Es ist in ganz New York bekannt, was Sie getan haben. Die meisten lachen sich halb krank, daß Ihre Tat diese verdammten Schufte und Verräter entlarvt hat. Aber einige glauben, daß Sie hier in wirklicher Gefahr sind. Es werden noch viele in ihren Betten zittern. Und sich fragen, was Sie noch entdeckt haben, und wann die Soldaten kommen werden, um an ihre Türe zu klopfen.«
    Bolitho senkte die Augen. »Tut mir leid, daß ich so ärgerlich war. Aber fürchten Sie nichts. Ich habe nicht vor, meine Haut spazierenzutragen.«
    Tyrell beobachtete ihn, als er seinen Hut ergriff und Fitch ungeduldig bedeutete, sein Degengehenk zu befestigen. Dann sagte er: »Mir wird wohler sein, wenn wir wieder auf See sind.«
    Bolitho eilte an ihm vorbei. »Und das wird heute abend sein, mein vorsichtiger Freund. Also rühren Sie sich und achten Sie auf die Vorräte!« Er lächelte über Tyrells Besorgnis. »Aber passen Sie auf, es könnte sich ein

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