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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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von verbranntem Fleisch stieg Christian in die Nase, während Lukas qualvoll aufstöhnte. Nur mit Mühe konnten Raimund und Jakob ihn festhalten. Dann setzte der Mönch das Kautermesser ein weiteres Mal an. Jetzt erst erkannte Christian, wie tief Lukas’ Wunde wirklich war. Wenn weder die Lunge noch ein anderes wichtiges Organ durchbohrt war, dann musste der Freund wirklich göttlichen Beistand gehabt haben.
    Lukas hatte inzwischen das Bewusstsein verloren – wahrscheinlich das Beste nicht nur für ihn, sondern auch für die anderen Beteiligten. Jakob sah so bleich aus, als würde er selbst gleich umkippen.
    Der Mönch wischte das erkaltete Messer an einem Tuch ab.
    »Ich habe für Euren Freund getan, was ich kann. Nun betet für seine Genesung.«
    Dann wandte er sich Christian zu. »Sollen wir Euch das Kettenhemd abnehmen? Aber das wird schmerzhaft. Oder soll ich das Geflecht um den Pfeil herum weiter auftrennen, um an die Wunde heranzukommen?«
    »Runter damit!«, entschied Christian. »Und jemand soll es gleich zum Ausbessern zu einem Schmied bringen.«
    Mit Sicherheit würde er in nächster Zeit den rechten Arm kaum einsetzen können. Zwar focht er mit der Linken genauso gut, doch zusätzlich zur Verletzung auch noch mit einem halb aufgetrennten Kettenhemd zum Kampf anzutreten, konnte er nicht riskieren, sollten sie tatsächlich die Burg stürmen.
    Er biss die Zähne zusammen, während Georg und David vorsichtig versuchten, erst das durchlöcherte Stück über den Pfeilschaft zu schieben und ihm dann den Kettenpanzer abzunehmen, ohne dass er den rechten Arm mehr als nötig bewegen musste. Schließlich hatte er das zaghafte Gehabe der beiden Jungen satt, die blass und schwitzend am Werk waren.
    »Lasst, sonst sterbe ich eher am Alter als am Wundbrand«, knurrte er sie an und erledigte den Rest mit einem Ruck.
    Für einen Moment wankte die Erde um ihn herum, ehe der Schmerz nachließ – zumindest ein wenig.
    Der Mönch hieß ihn auf einem Baumstubben Platz nehmen, dann ging er vorsichtig daran, mit seinem Messer den blutdurchtränkten Gambeson um die Wunde herum weiter aufzuschlitzen.
    Dabei sah Christian Marthes kleines silbernes Kreuz hervorblitzen, das er immer noch um den Hals trug. Er bemerkte, dass auch der Anhänger mit Blut befleckt war, und merkwürdigerweise störte ihn das mehr als das Aussehen seines hoffnungslos verdorbenen Gambesons.
    Der Mönch ließ Christian zwei Becher starken Weines trinken. Dann stellte sich Raimund auf seinen Wink hinter Christian, drückte ihm ein Knie fest in den Rücken und griff mit den Armen unter seine Achseln, um zu verhindern, dass der Verletzte zurückzuckte, während sich der Geistliche an seiner Wunde zu schaffen machte.
    »Haltet ihn mit aller Kraft!«, ermahnte der Mönch. Raimund nickte ihm zu, ohne ein Wort zu verlieren.
    Zuerst versuchte der Heilkundige, den Pfeilschaft herauszuziehen, der sich im Fleisch festgesogen hatte. Er drehte kräftig, um ihn zu lösen, doch brauchte er zwei quälend schmerzhafte Versuche, bis er ihn endlich herausgebrochen hatte. Erneut sprudelte Blut aus der Wunde. Dann setzte er die Apparatur des Wundarztes an.
    Christian wurde schwarz vor Augen, doch sein Freund hielt ihn fest und verhinderte, dass er einfach umkippte. Seine ganze rechte Seite war nun blutüberströmt.
    Kuno hatte sich auf seine Pflichten als frisch ernannter Hilfsfeldscher besonnen und das Kautermesser neu ausgeglüht. Der Mönch zögerte nicht, sondern legte es umgehend auf.
    Diesmal waren der Schmerz und der Brandgeruch so dicht unter Christians Nase dermaßen intensiv, dass er Mühe hatte, den guten Wein nicht wieder herauszuwürgen. Es ist wirklich schlimmer als beim Bein, dachte er, als er wieder einigermaßen denken konnte. Oder hab ich nur vergessen, wie furchtbar es damals war?
    »Atmet ruhig durch und betet zehn Rosenkränze«, ermahnte ihn der Mönch.
    Noch zweimal musste er das glühende Eisen ansetzen, bis der Blutfluss endlich versiegte.
    »Du hast es überstanden«, sagte Raimund leise hinter ihm und klang selbst erleichtert. »Kann ich dich loslassen, oder kippst du uns dann weg?«
    »Lassen wir es auf einen Versuch ankommen«, brachte Christian mühevoll hervor, dem es vor den Augen flimmerte. Seine Wunde brannte, als würde immer noch jemand mit einem glühenden Messer darin herumwühlen.
    Der Mönch reichte ihm noch einen Becher Wein; wer weiß, woher er den haben mochte.
    »Ich erkenne Eure Absicht, Bruder«, sagte Christian aufstöhnend.

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