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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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thronte, dem ähnlich, von dem aus sein Vater auf dem Meißner Burgberg zu regieren pflegte.
    Wie jedes Mal, wenn er hier war, tollte ein halbes Dutzend seiner Jagdhunde durch die Halle und suchte nach Ratten im Stroh, die sich von den Abfällen mästeten, die Albrecht und seine Leute bei den Mahlzeiten einfach unter den Tisch fallen ließen. Tische und Bänke waren beiseitegeräumt, so dass jeder, der den Raum durchquerte, auf langem Weg geradewegs auf das Podest zumarschierte, von dem aus der künftige Herrscher der Mark Meißen auf ihn herabblickte.
    Diesmal verzichtete Albrecht darauf, so zu tun, als ob er Marthe nicht bemerkte, wie bei ihrer ersten Begegnung in Christiansdorf. Diesmal erfasste er sie schon beim Eintreten mit unerbittlicher Miene und ließ sie nicht aus den Augen, während sie in Hartmuts Begleitung den Saal durchschritt, bis sie vor ihm niederkniete und gehorsam den Blick senkte.
    Es war an ihm, zuerst zu sprechen, schließlich hatte er sie herbefohlen. Aber noch schwieg er. Sie wusste, dass er sie mit Blicken geradezu durchbohrte, um sie einzuschüchtern. Doch Angst hatte sie nur um Christian.
    Ob Albrecht etwas von der vorbereiteten Flucht erfahren hatte? Sie würde es nach Lukas’ Besuch möglicherweise nicht einmal mitbekommen haben, wenn er das halbe Dorf hätte verhaften lassen. Andererseits – wenigstens einer von Peters Bande wäre bestimmt entwischt und hätte ihr insgeheim eine Nachricht zukommen lassen.
    Mit keiner Regung ließ sie Furcht oder Ungeduld erkennen, so schwer es ihr auch fiel.
    Endlich hatte Albrecht das Spiel satt. »Erhebt Euch, Dame Marthe!«
    Während sie dem Befehl folgte, wunderte sie sich darüber, dass er ihr immer noch die respektvolle Anrede zubilligte.
    Wollte er etwas von ihr, oder gehörte das zu seinem Spiel, bis er blitzschnell zuschnappte wie eine lauernde Schlange nach der Beute, die sie nicht wieder hergab?
    »Ich hoffe, Ihr seid wohlauf«, eröffnete Ottos Sohn das Gespräch, wobei er einen Mundwinkel zynisch nach unten verzog.
    »Wie könnte ich nicht, wo Ihr doch so sehr um mein Wohlergehen besorgt seid, dass Ihr Tag und Nacht Eure besten Männer über mich wachen lasst?«, gab sie mit betont kühlem Lächeln zurück.
    »Nun, Euer Gemahl hat sich schwerster Vergehen schuldig gemacht. Doch wie Ihr gemerkt habt, bin ich vorerst nicht geneigt, auch Euch und Eure Tochter dafür büßen zu lassen. Eure Söhne haben sich ja inzwischen beim Kaplan verkrochen und sind für die nächsten neununddreißig Tage unantastbar.«
    Die Drohung war unverkennbar, selbst wenn er sie in höfliche Sätze kleidete. Falls er Dankbarkeit erhofft hatte, wurde er enttäuscht. Marthe schwieg.
    Mit undurchdringlicher Miene wartete sie auf seine nächsten Worte.
    Gereizt beugte sich Albrecht auf seinem Stuhl vor. »Ihr solltet etwas mehr Entgegenkommen zeigen, Weib!«, fuhr er sie an. »Euer Mann wird morgen als Verräter verurteilt und hingerichtet. Ist Euch nicht klar, dass ich Euch und Eure Tochter aus dem Dorf peitschen lassen könnte?«
    »Gewiss«, antwortete sie mit einem ungewollten Anflug von Schärfe, weil sie sich trotz aller Mühe einfach nicht mehr in der Gewalt hatte. »Wenn Ihr einen Unschuldigen hinrichten lassen könnt, so wird es Euch ein Leichtes sein, auch noch seine Frau und sein Kind fortzujagen.«
    »Deine Dreistigkeit ist unerhört«, fauchte Albrecht.
    Dann lehnte er sich zurück und betrachtete sie aufmerksam.
    »Mir ist so einiges zu Ohren gekommen über Christian und dich und eure große Liebe. Vielleicht macht es dir nichts aus, zu sterben, wenn er erst tot ist. Aber ist es dir auch gleichgültig, wenn ich deine Tochter als vogelfrei erkläre? Sie ist zwölf, nicht wahr? Es liegt bei dir, Weib, ob ich sie meinen Wachen zum Zeitvertreib überlasse und dann ins Verlies werfe oder unter meinen Schutz stelle und eine günstige Heirat für sie abspreche.«
    Er stieß ein kurzes, verächtliches Lachen aus. »Obwohl, sehr hoch dürften ihre Ansprüche nicht mehr sein als Tochter eines Verräters. Es sei denn, sie sagt sich von ihrem Vater los. Das Angebot gilt übrigens auch für deine Söhne, wenn sie nach Ablauf der vierzig Tage Kirchenasyl nicht ebenfalls zu Gesetzlosen erklärt werden wollen. Wie ich gesehen habe, sind sie trotz ihrer Jugend tüchtige Reiter.«
    Es kostete Marthe alle Kraft, Albrecht ihren Hass nicht ins Gesicht zu schreien. Und sie brachte die Replik nicht über die Lippen, die er wohl von ihr erwartete – von einem gnädigen

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