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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Bernina an Nils, unentwegt an Nils.
    Er befand sich bestimmt auf dem Rückweg hierher, um sie am Ende der Markttage abzuholen und sicher nach Hause zu begleiten. Er war wohl ihre einzige Hoffnung. In der schäbigen Herberge würde er nach ihr und Baldus fragen – und feststellen, dass sich ihre Spur verlor. Wie sollte es ihm je gelingen, sie zu finden? Es war schon fraglich, ob er überhaupt nach Freiburg durchkommen würde – falls zutraf, was Fronwieser zu von Mollenhauer gesagt hatte.
    Und damit landeten ihre Gedanken wieder unweigerlich bei diesem Haus, bei jenem rätselhaften, versteckten kleinen Reich, in dem sich Gotthold von Mollenhauer eingerichtet hatte. Von Mollenhauer. Oder Mentiri. Was für ein unergründlicher Mensch er doch war.
    So viel hatte er erzählt und trotzdem noch mehr weggelassen, wie es Bernina vorkam. Es gibt Dinge, die bedeutender sind, hörte sie erneut in Gedanken seinen Ausspruch. Nicht nur jede Menge erzählt hatte er, auch sein Haus – obwohl offenkundig ein sorgsam gepflegtes Versteck oder ein Rückzugsort – hatte er ihr gezeigt. Warum waren sie überhaupt in diesem Laboratorium gewesen? Sogar seine Verkleidungskniffe hatte er, zumindest teilweise, offenbart. Aus welchem Grund? Weil von Mollenhauer von Anfang an wusste, dass Bernina und Baldus sterben würden? Nein, das nicht, hatte er doch Lorentz Fronwieser eine Belohnung versprochen, sollte ihnen nichts geschehen. Oder war das ein Trick?
    Zur Untätigkeit verdammt zu sein, nagte an Bernina, überall in ihr war ein unerträgliches Kribbeln. Ihre Gedanken kreisten unaufhörlich. Nils, von Mollenhauer, Lorentz Fronwieser. Von Mollenhauers Haus. Darin das Laboratorium mit all den Utensilien. Hatte sie in jenem Raum Entscheidendes übersehen? Was könnte von besonderer Wichtigkeit sein?
    Tageslicht schlich sich durch Türritzen in den fensterlosen Verschlag, nicht viel, dennoch genügend, um alles in eine stumpfe, trübe Helligkeit zu tauchen. Das Schnarchen von nebenan wurde lauter, die Zeit schien stillzustehen und gleichzeitig davonzustürmen. Und irgendwann, als sie längst versuchte, nicht mehr über all das nachzugrübeln, erfasste Bernina endlich, warum von Mollenhauer ihr das Versuchslabor vorgeführt hatte. Ganz einfach deshalb, weil es nicht von Bedeutung war. Es ging nicht darum, was auf diesem großen Arbeitstisch stattfand. Vielleicht hatte von Mollenhauer versucht, Gold herzustellen, vielleicht war er sogar ein Giftmischer, vielleicht strebte er lediglich ehrenwert nach wissenschaftlichen Fortschritten. Aber das Laboratorium war keineswegs das, worauf das Hauptaugenmerk zu legen war.
    Es gibt noch so vieles zu tun hier, so vieles. Auch das hatte von Mollenhauer gesagt. Hier. Im Haus. Immer wieder dieses Haus. Bernina musste dorthin zurück. Diese Mauern bargen irgendein Geheimnis.
    Erst gegen Mittag wühlten sich Fronwieser und Alwine aus ihren Decken. Sie sprachen nicht viel miteinander. Alwine summte, er grunzte, die Krücke polterte. Sie verschwanden, ohne sich um Bernina zu kümmern, ohne einen einzigen Blick in den Verschlag zu werfen. Eine ganze Weile dauerte es, bis sie zurückkehrten, offenbar gestärkt durch ein spätes Frühstück, wie Bernina ihren Bemerkungen entnahm.
    Sie legten sich aufs Bett, und diesmal wurde Bernina unfreiwillige Ohrenzeugin ihres Liebesspiels. Das Stöhnen und Schnaufen schien einfach nicht aufzuhören und zerrte noch mehr an ihren Nerven. Sie schloss die Augen und wartete, wartete, wartete. Ihre Arme waren längst steif, ihre Hände leblos.
    Irgendwann brach Fronwieser auf. Er knallte die Tür zu, und kurz darauf erschien Alwine in dem Verschlag. Sie flößte Bernina Wasser aus einer Holzschüssel ein.
    »Wenn’s nach mir ginge, könntest du hier verdursten.« Bernina zweifelte keine Sekunde daran, dass das die reine Wahrheit war. »Und dieser widerliche Gnom auch.«
    Bernina genoss es, wie das kühle Wasser ihre Kehle hinunterfloss. Nachdem sie getrunken hatte, schloss sie die Augen – ein Moment des Durchatmens.
    »Und keine Sorge, ich bin nicht dumm«, fuhr Alwine fort. »Ich habe gesehen, wie Lorentz dich immerzu anstiert. Aber er kriegt dich nicht, dafür werde ich sorgen.«
    Bernina sah ihr geradewegs ins Gesicht, ruhig, weiterhin ohne einen Ton zu äußern. Was Alwine offenbar nicht gefiel. Ein Zucken um ihre Mundwinkel zeigte, dass sie allzu gern ein wenig gestritten hätte.
    Doch das Klackern der Krücke rief sie zurück in den Nebenraum.
    »Und?«, ertönte ihre Stimme

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