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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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erwartungsvoll, gedämpft durch die Tür des Verschlages. »Hast du ihn angetroffen? Hast du mit von Mollenhauer gesprochen?«
    Gluckende Geräusche. Fronwieser gönnte sich wohl zuerst ein wenig Branntwein.
    »So sag doch etwas«, drängte ihn Alwine ungeduldig.
    »Ich habe nur kurz mit ihm reden können. Anscheinend gibt es Schwierigkeiten mit den Wagen, die ihm so wichtig sind. Wer weiß, sind vielleicht gestohlen worden.«
    »Was scheren uns von Mollenhauers Sorgen? Hat er dir Geld gegeben?«
    »Er hatte keine Zeit.« Gereizt spuckte er ein Wort nach dem anderen aus. »Er war in Eile, wollte irgendwohin und hat ausnahmsweise kaum die Zähne auseinandergekriegt.«
    »Keine Zeit? Du erlaubst dir einen Scherz mit mir. Wir haben doch klar abgesprochen, dass … «
    Ein klatschender Laut brachte sie zum Schweigen.
    Er hatte sie geschlagen.
    Bernina kroch erneut ein Stück nach vorn, um durch die Ritze sehen zu können.
    Alwine lag auf dem Boden, Fronwieser stand neben dem Bett, auf dem er seine Krücke abgelegt hatte.
    Die junge Frau rappelte sich hoch, ihre Wange leuchtete rot.
    Lässig zog Fronwieser etwas aus dem Inneren seines Umhangs hervor, um es aufs Bett zu werfen. Es handelte sich um Münzen.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Alwine leise, ihn beobachtend.
    »Das Geld stammt nicht von ihm.«
    Bernina sah, wie sich auf Alwines Gesicht Erschrecken ausbreitete.
    »Du hast dich mit den Fremden getroffen«, meinte die junge Frau, fast mehr zu sich selbst.
    »Ja, habe ich«, entgegnete er gelassen, geradezu kalt. »Und sie haben mir schon einen Anteil bezahlt.«
    In ihren Augen schimmerten plötzlich Tränen. »Das wird ein böses Ende nehmen.«
    »Nein«, schnaubte er.
    Alwine schien angestrengt nachzudenken. »Wofür, was wollen sie von dir?«
    »Die entscheidende Auskunft.«
    »Und du bist sicher, ihnen diese Auskunft rechtzeitig geben zu können?«
    Lorentz Fronwieser lachte auf. »Schon jetzt könnte ich das. Das müssen die aber nicht wissen, oder? Ich sagte dir doch, dass ich schlauer bin.«
    »Aber die Zeit drängt.«
    »Wir dürfen nicht die Nerven verlieren.«
    »Die Zeit drängt«, wiederholte Alwine.
    »Diese Männer sind bereit, einen ganzen Haufen Geld zu bezahlen. Man muss es nur verstehen, sie bei der Stange zu halten. Dann lässt sich mehr aus ihnen herausholen.« Er begann, die Münzen einzusammeln. Eine oder zwei davon reichte er Alwine, ehe er sich abermals die Flasche schnappte. »Lauf los und hol uns bei dem Schlachter eine Hammelkeule. Heute soll was Festliches auf den Tisch.« Er trank und rülpste.
    Argwöhnisch betrachtete Alwine ihn, als traue sie seinen Worten nicht, dann aber verließ sie das Zimmer.
    Bernina spähte durch die schmale Ritze zu Fronwieser, den Staub des Bodens in der Nase, und völlig unerwartet ruckte sein Kopf zu ihr herum. Als hätte er ihren Blick auf sich gespürt.
    Sie kroch zurück an die Wand und fühlte den Eisenring, an dem sie festgebunden war, in ihrem Rücken. Auf einmal wusste sie, warum Lorentz Alwine weggeschickt hatte. Nicht wegen eines Hammelbratens.
    Rhythmische Geräusche aus dem Nebenzimmer gaben ihr recht: Fronwieser hüpfte auf seinem gesunden Fuß auf den Verschlag zu, ohne sich mit der Krücke zu behelfen.
    Im nächsten Moment sprang die Tür auf.
    »Meine Schöne.« Er hielt sich am Rahmen fest und grinste sie an. »Endlich haben wir ein wenig Zeit für uns beide.«
    Bernina starrte ihn an, sich ihrer Wehrlosigkeit so sehr bewusst, dass es sie innerlich zu zerreißen schien.
    »Ja, meine Schöne. Endlich ist es so weit.« Lorentz Fronwieser knallte die Tür hinter sich zu. In seiner Hand lag ein Messer.
     
    *
     
    Zwar war es Jahre her, doch er hatte den Krieg kennengelernt. Er hatte mitten in diesem Krieg gelebt, von ihm gelebt. Als einfacher Soldat, als Offizier, als Sieger und als Besiegter, als Verwundeter und als ein Mann, der tötete.
    Nie zuvor allerdings hatte er die Auseinandersetzungen aus der Sicht eines Gefangenen betrachten können. Einen halben Tag und eine ganze Nacht lang hatte er Gräben ausgehoben, Schutzwälle errichtet und Munitionssäcke geschleppt. Ohne einen Bissen Brot, ohne einen Tropfen Wasser. Seine Knöchel waren mit einem Lederriemen von einem Fuß Länge zusammengebunden. Das hinderte ihn am Weglaufen, nicht jedoch am Arbeiten, und die Bewacher achteten selbst in stockfinsterer Nacht darauf, dass sich keiner der Gefangenen von diesem Leder befreite. Sein Schädel brummte von den Anstrengungen und dem Schlag, die

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