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Die Entscheidung liegt bei dir!

Die Entscheidung liegt bei dir!

Titel: Die Entscheidung liegt bei dir! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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der Impuls zum Trinken nicht innerhalb des »Ich« liegt. Das »Ich«, das natürlich der Ort der Entscheidung ist,
wollte
nicht trinken, hätte gerne anders entschieden, aber es wurde überwältigt von fremden Kräften.
    Ebenso: »Die Hand ist mir ausgerutscht.« »Die Beleidigung ist mir so herausgerutscht.« »Ich habe im Affekt zugeschlagen.« Opfer-Storys! Nichts wird ausgeführt, was nicht vorher gedacht oder mindestens vorgestellt wurde.

Das Pontius-Pilatus-Syndrom
    Die Stimme der Lufthansa-Stewardess säuselt aus den Lautsprechern über mir. Sie sagt ihr Standardsprüchlein auf und erklärt mir und den anderen Fluggästen, dass dieser Flug nach München ein Nichtraucherflug sei. Dann dieser Zusatz: »Der Gesetzgeber zwingt uns, darauf hinzuweisen, dass das Rauchen auch auf den Toiletten nicht erlaubt ist.« Als ich diese Worte das erste Mal hörte, konnte ich es kaum glauben. Warum so verschämt? Wenn man schon meint, die Toiletten gesondert erwähnen zu müssen, warum nicht klar und in aller Deutlichkeit? »Das Rauchen ist auch auf den Toiletten verboten.« Warum sich so kleinmachen, warum die Hände in Unschuld waschen und »den Gesetzgeber« vorschieben?
    Pontius Pilatus ist überall. »… dazu sind wir gezwungen«, sagen jene, die manipulativ ihre Verantwortung verschleiern wollen. So sehen sich Regierungen »zur Reaktion gezwungen«, sobald sie sich provoziert fühlen. Sie konnten gar |56| nicht anders, der andere hatte ihnen »keine Wahl« gelassen. Genauso gut könnten sie behaupten, eine Marionette in den Händen des Provokateurs zu sein. Die eigene Wahlentscheidung wird verschwiegen. Im Juli 1914 ist man in den Ersten Weltkrieg »hineingeschlittert«. Die befristet Angestellte sieht sich »genötigt«, Gewerkschaftsmitglied zu werden, wenn ihr Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes umgewandelt werden sollte. Der bekannte Autor »musste« das Buch einfach schreiben. Er »konnte« gar nicht anders. Wieder hatten sich unsichtbare Kräfte seiner bemächtigt. Auch der Satz »Ich muss Ihnen leider sagen …« verrät Feigheit. Unklares Denken erzeugt unklares Sprechen – und umgekehrt.
    Gegen die um sich greifende Unsicherheit und Deutschland-am-Abgrund-Neurose versprechen einige Ratgeber »die Kunst, sich von Ängsten zu befreien«. Ängste? In Deutschland wird das schlichte Wort »Angst« fast nur noch im Plural verwendet. Bis vor wenigen Jahren noch gab es »Angst« nur als Substantivform im Singular. Nur sprachliche Nachlässigkeit? Nein, die um sich greifende Pluralisierung ist kein Zufall, sie ist vielmehr das sprachliche Kennzeichen des hartnäckigen Willens zur Ohnmacht. Noch Heidegger hatte unterschieden: »Furcht ist Furcht vor etwas, Angst ist Angst vor nichts.«
    Furcht aktiviert, Angst lähmt.
    Ich kann Angst als Warnsignal für Gefahren nutzen, aber die Angst muss nicht Macht über mich gewinnen. Ich kann sie gegenständlich machen, konkretisieren. Fragt man jenen, der Angst hat, was er denn konkret fürchtet, so kann er es sich vorstellen, vorwegnehmen und vorsorgen. Das bringt ihn in die Verantwortung. Anders die Rede von den »Ängsten«: Sie vernebelt zusätzlich das Gegenstandslose und macht mithin |57| die Verantwortung des Einzelnen gänzlich unsichtbar. »Was kann
ich
dagegen tun?« – so fragt bestenfalls die Furcht, nicht die Angst, und schon gar nicht fragen so »Ängste«. Für das Thema »Selbstverantwortung« ist das keine beiläufige Stilfrage.
Unklares Denken erzeugt unklares Sprechen erzeugt unklares Handeln.
« Wenn die Wörter ihre Bedeutung verlieren«, so hat schon Konfuzius gemahnt, »verlieren die Völker ihre Freiheit.«
    Geradezu entlarvend ist in diesem Zusammenhang auch das Gerede von »Ich habe versucht …« oder »Ich werde versuchen …«. (Versuchen Sie mal, das Buch, das Sie gerade in der Hand halten, zuzuschlagen! Nein, Sie sollen es nicht zuschlagen; Sie sollen
versuchen
, es zuzuschlagen.)
    Das ist eine Einstellung, die Verantwortung vermeiden will. Eine vorauseilende Rechtfertigung. Eine Vorab-Entschuldigung. Sie schwächt: »Vielleicht schaffe ich es, vielleicht auch nicht.« Sie deutet an, dass es nicht in Ihrer Macht steht – und erhofft dafür Rabatt. Mildernde Umstände. Aber konsequent gedacht, gibt es kein Versuchen. Sie tun etwas, oder Sie lassen es sein. Für beides haben Sie Gründe.
    Die Strategie »Versuchen« wird entsprechend häufig benutzt, um Nicht-Handeln und mangelnde Entschiedenheit zu verschleiern. Meiner Erfahrung nach wird sehr

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