Die Entscheidung liegt bei dir!
alle stellen die zentrale Frage der Motivierung:
Wie schaffe ich es, dass der andere das tut, was ich will?
|97| Die zigtausend Antworten lassen sich auf sechs Worte reduzieren:
»Tu dies, dann bekommst du das.«
Nach diesem Muster funktioniert das System der Motivierung, das unser gesamtes Zusammenleben, unser Erziehungssystem und Wirtschaftsleben bis ins Mark durchdringt. Es überwuchert unser Leben als allgegenwärtiger Konformitätsdruck und bevormundender steuerstaatlicher Eingriff in die Privatheit. Es ist
das
Denk- und Steuerungsmodell unserer Gesellschaft überhaupt.
Auf der Negativseite ist Bestrafen die Hauptstrategie, um uns einem fremden Willen gefügig zu machen: »Wenn du dich nicht so verhältst, wie ich es möchte, kriegst du Ärger!« Die Wirksamkeit dieser Strategie hängt davon ab, ob Strafen zur Verfügung stehen, die so viel Gewicht besitzen, dass die Betroffenen es vorziehen, das gewünschte Verhalten zu zeigen. Viele versuchen natürlich, den Zwang zu unterlaufen und bei Gelegenheit zu »fliehen«: das Kind, das mit der Taschenlampe heimlich unter der Bettdecke weiterliest; die Ehefrau, die nur bei ihrer Freundin raucht; der Ehemann, der die Überstunden nicht im Büro verbringt. Kontrollmechanismen und Fluchtverhinderungssysteme (Eheverträge; in den Unternehmen: Zeiterfassung) sind die natürlichen Folgen.
Auf der Positivseite ist Belohnen die Hauptstrategie. Sie ruft uns zu: »Streng dich an, dann wirst du belohnt!« Beispiele sind: die Versetzung in die nächsthöhere Klasse für den leistungsangepassten Schüler, die Beförderung für den erfolgreichen Verkäufer, der Brillantring zu Weihnachten für die »funktionierende« Hausfrau und Mutter.
Belohnen und Bestrafen hängen also eng zusammen, denn |98| eine einmal erhaltene Belohnung erzeugt die Erwartung, in einer vergleichbaren Situation wieder belohnt zu werden. Diese Erwartung wandelt sich in die Furcht, gleichsam bestraft zu werden, wenn die Belohnung entfällt. In der Tat sind Belohnung und Bestrafung, Lob und Tadel keineswegs – wie immer behauptet wird – Gegensätze. Es sind zwei Seiten derselben Medaille – und diese Medaille ist nicht sehr viel wert.
Wie ich schon eingangs sagte, geht es mir im Folgenden weniger um die Frage, ob die Zuckerbrot-und-Peitsche-Psychologie funktioniert; ob Sie es schaffen können, andere Menschen über Belohnen oder Bestrafen zu dem gewünschten Verhalten zu bewegen. Es geht mir vielmehr darum, was mit
Ihnen
passiert, wenn Sie sich auf das System des Belohnens, Bestrafens und Bestechens einlassen. Welche Konsequenzen es hat, wenn
Sie
es zulassen, dass Ihre Energie von außen kommt. Welche verdeckten Spät- und Nebenwirkungen es hat, wenn
Sie
sich fremdbestimmen lassen. Ich schreibe hier also keinen Erziehungsratgeber, sondern wähle in diesem Teil die Perspektive des Opfers, die Sichtweise des Manipulierten. Wenn Hamster mit Belohnungen darauf trainiert werden, einen kleinen Hebel herunterzudrücken, und schließlich nahezu alles tun, um die Belohnung zu bekommen, dann schreibe ich das Folgende gleichsam aus der Sicht des Hamsters.
Verlust der Lust
In einer psychologischen Studie wurden Mädchen aufgefordert, jüngeren Kindern ein neues Spiel beizubringen. Für erfolgreichen »Unterricht« wurde ihnen jeweils eine Freikarte |99| fürs Kino versprochen. Einer anderen Mädchengruppe wurde die gleiche Aufgabe gestellt, aber keine Belohnung in Aussicht gestellt. Das erstaunliche Ergebnis: Erfolgreichere »Lehrerinnen« waren jene Mädchen, die die Aufgabe ohne Entlohnung übernommen hatten.
Weitere Untersuchungen, im Aufbau ähnlich wie diese, bestätigen: Wenn Menschen mit Belohnungen für eine Aufgabe gewonnen werden, verlieren sie schnell das Interesse, werden unzufrieden und erbringen geringere Leistungen als jene, die eine Aufgabe ohne versprochene Belohnung übernehmen. Der Grund: Die belohnten Mädchen handeln nicht, weil sie selbst es für
sinnvoll
halten, sondern weil eine Belohnung ihnen diesen Sinn ersetzt.
Belohnung hat eine prägende Kraft, die das Verhalten der Menschen steuert. Wenn man Kinder für etwas belohnt, was sie freiwillig tun, zerstört man ihnen damit den eigentlichen Grund ihres Handelns. Dann wendet sich die Konzentration vom Prozess und Ergebnis des eigentlichen Handelns
ab
– und der Belohnung
zu
. Dies insbesondere, wenn etwas mit Begeisterung getan wird. Es geht dann bald gar nicht mehr um das eigentliche Tun, sondern nur noch um die Belohnung. Unsere
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