Die Entscheidung liegt bei dir!
Hartnäckig ist da nur noch der Wille zur Ohnmacht: Zu verdeckt und rituell eingeübt |92| sind die »Ich kann ja nichts dafür«-Geschichten, mit denen wir unsere Freiheit wegvernünfteln.
Aber was hindert uns eigentlich daran, selbstverantwortlich zu leben? Warum ist in unserer Gesellschaft die Wahlfreiheit fast völlig in Vergessenheit geraten? Warum ist das »Entscheiden-Können« so schwer? Wo liegen die Gründe, dass anscheinend nur wenige Menschen ein Leben voller Mut und Selbstbestimmung führen? Warum erwarten wir von anderen, dass sie uns unsere Träume erfüllen? Warum rennen wir hinter Zielen und Erwartungen her, die andere uns vor die Nase halten? Warum fühlen wir uns oft lustlos, unmotiviert, entscheidungsschwach? Warum hat in unserer Gesellschaft und in vielen Organisationen das Jammern kein Ende?
Die Antwort auf diese Fragen will ich im nächsten Teil entfalten. Die Energie aus uns selbst von innen zu holen ist uns nicht vertraut. Wir sind daran gewöhnt, die Energie für unser Handeln von außen zu beziehen. Andere sollen uns versorgen, motivieren, anschieben. Aber dafür werden wir auch von ihnen gesteuert. Auf diese Weise haben wir uns eingebunden in ein subtiles System der Fremdsteuerung und Motivierung, das uns wie Drogenabhängige gefangen hält – indem es uns permanent Verwöhnung und Wohltaten verspricht. Dafür lassen wir dann die anderen entscheiden – über uns.
Erst wenn wir verstanden haben, wie das System der Motivierung funktioniert, können wir es wählen – oder abwählen. Um diese Frage geht es deshalb im Folgenden: Wollen Sie Ihr Leben
entscheiden lassen
?
|93| Entscheiden lassen
|95| Bestraft durch Belohnung
Zuckerbrot und Peitsche
Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Energie für unser Handeln von außen kommt. Wir sind damit vertraut, uns fremdsteuern zu lassen. Und es scheint ja auch zu funktionieren. Sporttrainer sind »Motivationskünstler«. Lehrer motivieren Schüler. Chefs motivieren Mitarbeiter. Prämien gibt es für besonderen beruflichen Einsatz (neuerdings sogar für Beamte!). Die »10-Pfund-in-5-Tagen-Diät« oder die »Power-Tipps vom Supermodel« motivieren im Kampf um die Idealfigur. Der Staat lockt mit Steuervorteilen und erhöhtem Kindergeld junge Paare in die Elternschaft. Und die Ehefrauen der besten Verkäufer erhalten einen Pelzmantel, damit sie ihren Gatten morgens aus dem Haus jagen. Bringt der Ehemann nicht die gewünschte Leistung, bleibt die Belohnung als Lockmittel: »Das wäre Ihr Preis gewesen … vielleicht das nächste Mal …« Für Belohnungen ist jeder empfänglich. Für Lob und Komplimente auch. In der Erziehung gilt das Prinzip der »positiven Verstärkung«. So geben viele Eltern ihren Kindern Geld für gute Noten (für eine Eins 10 Euro, für eine Zwei 5 Euro …). »Wenn du deinen Teller leer isst, darfst du heute Abend fernsehen.« »Wenn du den Sonntagsspaziergang mitmachst, spendiere ich dir ein Eis.« Fleißkärtchen fördern in der Schule wünschenswertes |96| Verhalten. Bonusmeilen für Vielflieger sollen an die Fluggesellschaft binden. Orden und Ehrenzeichen machen gesellschaftliche Unterschiede deutlich. Preisgelder im Sport schießen in unvorstellbare Höhen. Rabatte hier, Bonuszahlungen dort. Wettbewerbe und Ranglisten sollen anspornen. Preisausschreiben locken mit attraktiven Gewinnen. Aus dem sozialistischen »Helden der Arbeit« ist der kapitalistische »Mitarbeiter des Monats« geworden. Autofahrern schenkt der Staat Geld, wenn sie einen Diesel fahren. Die EU schenkt den Bauern Geld, wenn sie die Milchwirtschaft aufgeben. Ehepaare bleiben formal zusammen, weil der Steuervorteil sie aneinander kettet. Und die Kirchen versprechen uns einen Platz auf der himmlischen Ehrentribüne, wenn wir auf Erden artig sind.
In Ehe und Partnerschaft ist es nicht anders. Nur funktioniert die Mechanik dort nicht unter der Rubrik »Motivierung« oder »Erziehung«, sondern unter »Liebe«. Liebesversprechen und Liebesentzug sind die subtilen Steuerungsinstrumente, mit denen die Partner wechselseitig versuchen, den anderen den eigenen Ansprüchen anzupassen. »Wenn du noch ein bisschen mehr so bist, wie ich dich gerne hätte, liebte ich dich auch noch ein bisschen mehr …«
Von Menschen und Hamstern
Es ist unbestreitbar, dass man Menschen über irgendwelche Anreize zu einem erwünschten Handeln »bewegen« kann. Legionen von Forschern beschäftigen sich mit der Analyse menschlicher Motivation und ihrem Einfluss auf das Handeln. Sie
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