Die Entscheidung liegt bei dir!
seiner Forderung nachkommen, reagiert er wohlwollend und anerkennend. Die Dinge scheinen in Ordnung. Trotzdem sind wir nicht richtig glücklich. Weil wir uns nach der unbedingten Liebe sehnen: dem weichen Kuscheltuch. Aber wir bekommen nur das Lob – den kalten Nesselfetzen. |129| Der verhindert zwar, dass wir seelisch sterben, aber es bleibt doch eigenartig kühl. Wir glauben, es sind gute Gefühle, wenn wir gelobt werden; dabei sind es nur
bekannte
Gefühle.
Später im Berufsleben verschwindet die Wertigkeit des Arbeitsergebnisses angesichts der möglichen Zuwendung einer Autorität. Wie es der römische Philosoph Seneca vortrefflich ausdrückte: »Viele Dinge werden nicht gelobt, weil sie wünschenswert sind, sondern gewünscht, weil man sie lobt.« In der Firma heißt das Spiel »Please the Boss«. Jede Menge »Sondergastspiele« beim Chef in der Hoffnung auf Lob. Nicht mehr um die Sache geht es, sondern darum, ob sie dem Chef gefällt.
Lob verhindert Spaß am Tun
Lob ist wie Falschgeld:
Es macht denjenigen ärmer,
der es empfängt.
Peter N. ist Angestellter in einer mittelständischen Computerfirma. Er hat eine gute Ausbildung und versteht etwas von seinem Fach. An seinem Arbeitsplatz genießt er interessante Aufgaben, große Freiräume und weitreichende Kompetenzen. Dennoch schielt er fortwährend nach »oben«. Sieht sein Chef auch, wie erfolgreich er ist? Bei jedem Projekt fragt sich Peter N. heimlich, ob er damit bei seinem Chef Pluspunkte sammeln könnte. Die Aufmerksamkeit des Chefs ist ihm mehr als nur wichtig. Fast noch wichtiger als die Projekte oder die Ergebnisse seiner Arbeit. Ab und zu meldet er sich bei seinem Chef zum »Schaulaufen«; dann berichtet er ihm über seine Arbeit und spekuliert heimlich auf Streicheleinheiten. |130| Eines Tages wird es dem Chef zu bunt: »Für wen arbeiten Sie hier eigentlich?« »Na, für Sie, für meinen Chef!«
Betrachten wir die Folgen für das Individuum: Was ist bei Peter N. passiert? Wenn wir süchtig nach Lob sind, strengen wir uns so lange an, bis wir bekommen, was wir suchen. Wir strengen uns an bis zur Lob-Barriere. Damit machen wir das Lob des anderen und mithin dessen Bewertungskriterien zum Maßstab unserer Leistung.
Dürfen wir uns damit begnügen? Dürfen wir anerkennen, dass Peter N. glaubt, für seinen Chef zu arbeiten? Auf diese Weise wurde noch nie Außergewöhnliches geboren. Lob verhindert außergewöhnliche Leistung! Nur wer total bei der Sache ist, wer sich in seine Aufgabe ohne Seitenblick auf mögliches Lob hineinkniet, trägt das Beiwort »exzellent« zu Recht. Das sind jene, die sich jenseits von Zustimmung und Ablehnung mit Elan und Entschlossenheit bewegen und es nicht nötig haben, sich loben zu lassen. Diese – und nicht die Profilierungsakrobaten – gehen selbstbestimmt ihren
eigenen
Weg. Und sie sagen nicht: »Ich arbeite für meinen Chef«, sondern: »Ich arbeite für mich selbst.«
Unabhängig davon, wie reif wir sind – wenn wir aufrichtig in uns hineinblicken, so werden viele den Wunsch nach einer fürsorglichen Mutter- oder Vaterinstanz finden, die uns versorgt und behütet. Viele Menschen spüren seit ihrer Kindheit das nicht erfüllte Bedürfnis, sich von anderen Stärke zu holen. Ihr äußerliches Verhalten mag diese Menschen in vielem reif erscheinen lassen. Dennoch ist es ihnen nicht gelungen, eine entscheidende Tatsache menschlicher Existenz zu akzeptieren: dass das Zentrum ihrer Schwerkraft nirgendwo anders als in ihnen selbst ruht. Stillschweigend erwarten sie von ihrer Umwelt, dass diese ihnen liefert, was sie irrtümlicherweise glauben, selbst nicht zu besitzen: Selbst-Vertrauen |131| im wahrsten Sinne des Wortes, die vitale Kraft des Selbst. Lob hingegen erzieht zur Kraftlosigkeit.
Und wenn diese Gefühle unser Leben regieren, die Qualität unserer Existenz bestimmen und zum entscheidenden Antrieb allen Handelns werden, dann sind wir abhängig. Wenn wir aber von etwas abhängen, verlieren wir leicht das Gleichgewicht. Ein Mensch, dessen Leben von Abhängigkeit regiert wird, leidet im strengen Sinne unter einer passiv-abhängigen Persönlichkeitsstörung – einer der häufigsten psychischen Störungen überhaupt. Denn wer jemanden loben kann, darf ihn auch tadeln. Und wer von dem Lob anderer abhängig ist, lebt in der ständigen Angst, es nicht zu bekommen. Er verliert immer: wenn er es nicht erhält, sein Selbstwertgefühl; wenn er es erhält, seine Unabhängigkeit. Die »abgeleitete« Sicherheit aber ist
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